Es ist ein Kreuz: Wer Weine sammelt und edle Tropfen entsprechend vernünftig lagern möchte, hat im Minergie-Zeitalter mit staubtrockenen warmen Kellern keine Chance. Auch eine Lagerung in der Wohnung ist alles andere als optimal. Zu selten findet sich ein vollkommen schattiges Plätzchen. Zu viel Licht kann dem Wein schaden, da die Sonnenstrahlen enthaltene UV-Strahlung chemische Prozesse im Wein begünstigt. Das kann sich negativ auf seinen Geschmack auswirken.
Gleiches gilt für Wärme: Was menschliches Leben angenehm komfortabel macht, wird für den Rebensaft zum Killer, schließlich liegt die optimale Lagertemperatur für Wein bei konstanten 10 bis 12 Grad Celsius. Zudem sollte die Luftfeuchtigkeit bei Lagerung mindestens 60 Prozent bis höchstens 80 Prozent betragen. Falls also Weine über mehrere Jahre in zu trockenen oder zu feuchten Räumen liegen, kann es dazu kommen, das die Elastizität der Korken abnimmt und die Flasche mit der Zeit undicht wird. Eine zu hohe Luftfeuchtigkeit kann zu Schimmelbildung am Korken und der Kapsel führen.
Ein Schutz vor derlei Unbill bietet die Anschaffung von Weinkühlschränken – auch Temperier- oder Klimaschränke genannt. Doch bei dieser Lösung stößt man schnell auf Kapazitätsprobleme. Für Sammler, die vielleicht sogar auf den Wertzuwachs ihrer Tropfen spekulieren, kommt all das ohnehin nicht in Frage. Denn wer beabsichtigt, seine Preziosen auf Auktionen zu verkaufen, braucht einen absolut zuverlässigen und testierbaren Lagerort mit entsprechend Platz.
Eigentümer von geeigneten Gewölbekellern haben aus der Not von Sammlern inzwischen ein Geschäft gemacht und bieten als Heimstatt für edle und alte Weine die Lagerung in einer „Weinbank“ an.
Als Vorreiter gilt der Unternehmer Christian Ress, Geschäftsführer des VDP.Weinguts Balthasar Ress in Hattersheim bei Wiesbaden. Seine 2009 eröffnete „wineBANK Rheingau“ galt lange Zeit als Treffpunkt für Weinliebhaber im Rhein-Main-Gebiet. Inzwischen hat Ress seine Idee zu einem Franchisesystem ausgebaut mit Standorten in Hamburg, Frankfurt, Wien, Basel, die Pfalz und Mainz. In Palma öffnete Anfang 2018 der erste Club außerhalb der DACH-Region. Derzeit werden weitere Standorte in Köln, Austin, London und Washington DC entwickelt.
Eingerichtet wurde die erste Weinbank im Hatterheimer Stammhaus einem historischen Weinkeller, dessen ältester Teil aus dem 17. Jahrhundert stammt. Rund ein Jahr lang dauerten die Bauarbeiten. Heute besteht der Boden teils aus poliertem Rheinschiefer, teils aus Quarzit-Steinen. „Das sind die Mineralien, die auch unsere Weine beeinflussen“, sagt Ress. Je nach Menge könne man ein einzelnes Fach oder ganze Regale mieten. 35 Flaschen fassen die kleinsten Schließfächer. In die drei größten gehen zwischen 2.700 und 5.500 Flaschen hinein, und sie sind begehbar.
Neben privaten Sammlern zählen immer häufiger auch Firmen zum Kundenkreis. Diese nutzen die „wineBANK“ gern als Begegnungsstätte für Kunden und Geschäftspartner. Ress hat deshalb weitergedacht und aus der profanen Lagerung ein sogenanntes Private Members’ Club Konzept entwickelt. Das sieht so aus: Jedes Mitglied hat mit Chipkarte und PIN Zutritt zu allen verfügbaren Standorten – 24 Stunden am Tag, an 365 Tagen im Jahr. Weingenuss mit Geschäftspartnern und Freunden rund um die Uhr, so die Idee.
Die „Weinbank“ soll nach dem Willen seines Erfinders nicht nur ein sicherer Platz, sondern auch eine Art ausgelagertes Wohnzimmer für Weinliebhaber sein. Sobald ein Besucher die „wineBANK“ betritt und seine Card an das Lesegerät hält, schaltet sich die Beleuchtung ein und es erklingt stimmungsvolle Musik. Unten gibt es eine Theke mit Gläsern, Kühlern, Dekantern und einem gekühlten „open tresor“ mit einer Auswahl guter Weine zum „Vorglühen“ und Mineralwasser. Solange sich jemand im Gewölbe aufhält, werden die vergitterten Fächer von innen mit LED-Strahlern zart beleuchtet.
Ansonsten herrscht Dunkelheit. Man kann sich nach Lust und Laune bedienen, und steckt nach dem Vertrauensprinzip ein paar Scheine in eine rote Geldkassette. „Oft kommt es dabei zu geselligen Begegungen“, weiss „wineBANK“ -Botschafter Steven Buttlar. Diese münden nicht selten nach der Öffnung der privaten Fächer in spontane Verkostungen, wo man sich gegenseitig zeigen will, welche Schätze man so liegen hat.“
Das kleinste Fach im Hattersheimer Keller kostet knapp fünfzig Euro, dafür bekommt man quasi eine stets verfügbare Partylocation frei Haus. Perfekte Klimatisierung, Versicherung gegen Diebstahl, Vandalismus und Feuer sind inklusive. Diese Grundidee gilt für alle bisherigen und zukünftigen Standorte.
Entscheidend für Ress ist, daß jede „wineBANK“ durch ihren individuellen Charakter eigenständig wirken soll. Architektur, Standort, Design – diese Elemente sollen sorgen, dass Gäste stets ein ganz eigenes, außergewöhnliches „wineBANK“- Erlebnis haben. Um das Thema besonders lecker zu machen, finden deshalb in allen Standorten monatlich so genannte „wineBANKer’s Tables“ statt. Hierzu werden Persönlichkeiten aus der Weinbranche, wie etwa Klaus-Peter Keller, Markus Schneider oder Günther Jauch eingeladen, um ihre Weine in ausgelassener Atmosphäre zu präsentieren und dem Gedanken eines Social Clubs Rechnung zu tragen.
TEXT // THOMAS GARMS
www.winebank.de
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