Die Welt der großen Yachten wird bekanntlich von Superlativen dominiert, insbesondere was Größe und Länge betrifft. Bei einem Volumen von weit über 1000 GT begeistern die einzigartigen Kunstwerke des Schiffsbaus mit jedem erdenklichen Luxus und darüber hinaus mit immer neuen Features. Doch für ihren Betrieb sind teilweise mehr als 30 Crewmitglieder notwendig. Private Bereiche für den Eigner sind daher nicht unüblich und stehen eigentlich doch im Widerspruch zu dem ursprünglichen Konzept einer Privatyacht.
Zugeständnisse müssen die Super- respektive Megayachten außerdem bei Ankerplätzen in kleineren Buchten, bei Mindestabständen zur Küste oder reizvollen Häfen machen, die ihnen bedingt durch ihre schiere Größe verwehrt bleiben. Trotz des enormen Platzangebotes bleibt es im Charterbetrieb durch die Regularien zumeist bei einer maximalen Anzahl von zwölf Übernachtungsgästen an Bord, sofern die Groß- und Maxiformate nicht nach noch strengeren Auflagen gebaut und zertifiziert wurden. Bei allen Verlockungen sprechen rational somit viele Argumente für Yachten unter der „magischen Grenze“ von 500 GT, wodurch die Länge in der Regel auf 50 bis 60 Meter limitiert wird.
Da verwundert es nicht, dass sich gerade dieses Segment einer großen Beliebtheit erfreut und jedes Jahr zahlreiche neue Yachten dazu stoßen. Um bei der Fülle des stetig wachsenden Angebotes erfolgreich zu sein, muss alles stimmen – Design, Features, Qualität und der Preis. Und ein solches Gesamtpaket bietet die in Genua ansässige Werft Tankoa. Während deren bis dato größten Ablieferungen, die 69 Meter lange Suerte im Jahr 2015 und die 72m-Yacht Solo drei Jahre später, zwar miteinander verwandt, aber dennoch sehr individuelle Custom-Yachten waren, setzte 2017 Vertige mit 50 Metern den Grundstein für die erfolgreiche Semi Custom-Baureihe S501. Gerade noch knapp unter 500 GT, kaschiert das dynamisch flache, langgestreckte Design mit nahezu geradem Steven vom italienischen Topdesigner Francesco Paszkowski das vergleichsweise großzügige Platzangebot und Volumen der Aluminiumyacht.
In Zusammenarbeit mit Margherita Casprini zeichnete sich Paszkowski ebenfalls für das Interieur der Vertige verantwortlich. Ihr folgten die Schwesterschiffe Bintador I – identisches Designduo, jedoch mit Hybridantrieb – Olokun mit auffällig schwarzem Rumpf und minimalistischem Interieur von Casadio Miami sowie Kinda, wiederum mit dem ursprünglichen Designteam und Hybridantrieb. Nach diesen vier, teils auch im Charterbetrieb sehr erfolgreichen Yachten der Serie S501 wurde es Zeit für eine Evolution.
Wie bei Semi Custom-Plattformen üblich, flossen in die fünfte Yacht mit Taufnamen Grey die Erfahrungen der vorherigen Schwesterschiffe ein. Neben technischen Optimierungen hatte der Eigner allerdings sehr genaue Vorstellungen, die weit über die üblichen Wünsche für individuelle Modifikationen hinausgingen.
Die zweifarbige Lackierung mit hellgrauem Rumpf sowie schwarz glänzenden Oberdeck, Hardtop und (Starlink-) Antennen ist ein Beispiel. Die beiden vorn auf dem Hauptdeck geparkten, je 300 PS starken Jetskis sind ein anderes. Äußerlich das prägnanteste Alleinstellungsmerkmal ist jedoch der daran anschließende 144-Zoll-Bildschirm mit dem verbundenen Glas-Jacuzzi.
Entspannt in dessen warmen Wasser treibend oder auf den Polstern ringherum liegend oder sitzend, können im Gegensatz zu bisherigen Lösungen mit Leinwänden und Projektoren selbst bei grellem Sonnenlicht unter anderem Sportereignisse live in 4K erlebt werden. Der binnen Sekunden automatisch heraus- oder hineinfahrende und auseinander- und zusammenfaltende MicroLED TV vom österreichischen Spezialisten C Seed ist zudem gegen Salzwasser geschützt. Nicht minder spektakulär ist das ebenfalls herausfahrende Surround-Soundsystem aus gleichem Hause. Bislang verbaute C Seed seine mehrere hunderttausend Euro teuren Systeme an Land auf den Terrassen einiger Penthäuser und Villen sowie erstmals an Bord einer Yacht, der 94 Meter langen Viva von Feadship.
Darüber hinaus wird an Bord von Grey auch nicht mit großen Flatscreens und klangstarken Lautsprechern von Focal Naim gegeizt. Auf dem eigentlichen Sonnendeck warten ein weiterer TV, hochfahrbar aus dem Bar-Grill-Modul mit hinterleuchteter Steinplatte aus schwarzem Achat, ein Essbereich mit ausklappbaren Tischen, Sonnenliegen und ein zweiter Whirlpool. Zusätzlich zum Hardtop spenden Sonnensegel hier optional Schatten, ebenso wie auf sämtlichen Außendecks mit wiederum großzügig bemessenen Liege- und Sitzbereichen. Im Vergleich zu ihren älteren S501-Schwesterschiffen wuchs das Sonnendeck von Grey um weitere zehn Quadratmeter.
Außerdem wurden die ohnehin schon nicht kleinen Glasflächen an Bord weiter vergrößert. Von dem zusätzlichen Tageslicht profitiert das von Giorgio Cassetta gestaltete Interieur. „Der Eigner wünschte sich ein luxuriöses und opulentes Interieur mit exklusiven, in höchster Handwerkskunst verarbeiteten Naturmaterialien“, resümiert der Designer. „Gleichzeitig sollte es für den Eigner und seine Gäste auch während langen Aufenthalten an Bord entspannte Gemütlichkeit verbreiten.“
Die Wahl fiel auf hochglänzendes Palisanderholz im Kontrast zu heller Eiche und Eukalyptus. Beim Marmor entschied sich der Eigner für Palissandro Bluette, Striato Olimpico, Breccia Oniciata und Macauba Blue. Armani, Rubelli, Dedar und Filippo Uecher steuerten die Möbel sowie Stoffe an Bord von Grey bei. Die aufwendigen Lichtinstallationen stammen ebenfalls aus Italien, nämlich von Luce5. Deren LEDs setzen nicht allein die zahlreichen Kunststücke und die Wandpaneele aus Marmor prominent in Szene.
Auf insgesamt 220 Quadratmetern kreierte Giorgio Cassetta zusammen mit seinem Team ein teils asymmetrisches Layout mit nahtlos ineinander übergehenden Salon und Essbereich auf dem Hauptdeck. Zusammen mit den teils verspiegelten Decken vergrößert die indirekte Beleuchtung zudem optisch geschickt die Raumhöhen. Die zumindest für diese Größenordnung eher ungewöhnliche Raumaufteilung auf dem vorderen Hauptdeck übernahm Grey von ihren älteren Schwestern.
Anstelle der Galley zwischen Essbereich und Eignerkabine lädt an Backbord eine VIP-Kabine samt begehbarem Kleiderschrank zum Übernachten oder Verweilen ein. Wie zu erwarten, fällt das angrenzende Refugium des Eigners noch geräumiger aus. Besonders auffällig sind neben den versilberten Waschbecken die hydraulischen Balkone an beiden Seiten. Während die einteilige Rumpföffnung an Steuerbord genügend Platz beispielsweise für ein Frühstück zu zweit bietet, ist der Balkon an Backbord etwas kleiner. Dafür lässt sich der obere Teil separat nach oben klappen, um Schatten zu spenden oder unabhängig vom Balkon geöffnet die Meeresbrise in der Kabine zu genießen.
Auch das Unterdeck hält clevere Lösungen parat. Bereits die zu schweben scheinenden Stufen überraschen und in den zwei größeren der vier Gästekabinen erweitern offene Bäder mit Schiebetüren das Raumgefühl.
Zum Heck schließt sich der schall- und vibrationsoptimierte Maschinenraum mit separatem Kontrollraum an. Von hier aus überwacht der Bordingenieur die beiden MAN-Zwölfzylinder mit je 1.400 PS, die für ordentliche 17,5 Knoten Höchstgeschwindigkeit oder bei 11 Knoten für eine transatlantische Reichweite von 4.000 Seemeilen sorgen. Auf einen teilelektrischen Hybridantrieb verzichtete der Eigner aus nicht überlieferten Gründen. Achtern zum Maschinenraum folgt die quer positionierte Tendergarage mit einem 6,30 Meter langen Castoldi Jet 21 samt ausklappbaren Stufen zum bequemen Aus- und Einsteigen am Strand. Bequem von der Yacht ins Wasser gelangt man vom Beachclub mit herunterklappbarer Badeplattform, Toilette, Technogym-Sportgeräten und Dampfbad. Der vordere Teil des Unterdecks ist für die neunköpfige Crew reserviert, die in besagter Galley kocht und die fertigen Gerichte per Aufzug bis zum Oberdeck in die jeweilige Pantry schickt. Vis-à-vis der Küche befindet sich die Crewmesse mit Kontrollelementen für die wichtigsten Funktionen und Sicherheitskameras an Bord. Ein begehbarer Kühlraum, die Laundry mit sechs Miele-Geräten und vier Crewkabinen befinden sich ebenfalls vorn im Bug. Der Kapitän schläft zwei Decks höher direkt hinter der papierlosen Brücke mit fünf großen Hauptdisplays. Dank separater Treppen stört die Crew den Eigner und seine eigenen Gäste oder die maximal zwölf Chartergäste nicht.
So oder so – ob privat genutzt oder gechartert – zählt die Lounge auf dem Oberdeck zu den beliebtesten (Indoor-)Bereichen an Bord. Auf Wunsch per Klimaanlage gekühlt, kann auf dem breiten, L-förmigen Sofa entspannt und ferngesehen werden.
Eine Bar mit professioneller Espressomaschine und die Tagestoilette vervollständigen das Oberdeck. Trotz allem ändert es wohl nichts an der unerreichbaren Attraktivität der Freiluftareale, zumal große Bildschirme ja auch auf dem Sonnendeck und erst recht auf dem Vordeck samt Glaspool warten. Letztgenannte Kombination ist eindeutig das Widererkennungsmerkmal von Grey. Mit der ersten S501 EVO schreibt Tankoa die Erfolgsgeschichte ihrer 50m-Serie fort und hebt sie auf ein neues, noch einmal höheres Niveau. Daneben hat die „Boutique Werft“, die sich in den vergangenen 17 Jahren zu einem der wichtigsten Yachtbauer Italiens entwickelt hat, selbstverständlich auch größere Semi Customs oder Custom-Konzepte im Portfolio. Um der Nachfrage gerecht zu werden, wird der Stammsitz in Genua vergrößert und hinzu kommt ein weiteres Werftgelände in Civitavecchia. Tankoa hat sich längst etabliert, wächst stetig und wird auch in Zukunft die Welt der großen Yachten bereichern.
C Seed Casadio Miami Francesco Paszkowski MicroLED TV Tankoa
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