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Grosser Bahnhof
By Editorial Department access_time 7 min read

Hier Blattgold, dort Bauhaus: Diese Wohnung in Afrikas einzigem Art-déco- Wolkenkratzer geriet der Designerin Laureen Rossouw zu einem Schmuckstück erster Güte.

Dies ist möglicherweise die berühmteste Wohnung Kapstadts. Sie liegt im achten Stock von Mutual Heights, einem architektonischen Meisterwerk aus dem Jahr 1939, anerkanntermaßen der einzigeArt-déco-Wolkenkratzer Afrikas. Von den beiden Terrassen und den vom Boden bis zur Decke reichenden Fenstern hat man eine beeindruckende Aussicht auf den Tafelberg.

Eine viktorianische Bahnhofsuhr schmückt die Bibliothek.

Hinzu kommt, dass dieses ehemalige Bürogebäude eines der ersten war, welches zu Wohnraum im Herzen der Stadt verwandelt wurde – zu einer Zeit als tatsächlich niemand in der Stadt lebte. Vor fast zehn Jahren wurde das Geschäftszentrum als Wohngebiet zurückerobert und inzwischen haben sich hier verschiedene Trendsetter niedergelassen, von internationalen Designgrößen bis hin zu Hollywood-Schauspielern. Und das alles, weil es 2005 von den Rossouws entdeckt wurde – insbesondere von Laureen Rossouw, einer Designberaterin, zu deren Stärken es gehört, hinter der Oberfläche den Wesenskern und die wirklichen Potenziale einer Sache zu erfassen.

Das Esszimmer wurde mit ehemaligen Kirchenstühlen bestückt.

Dort drei Wohnungen zu kaufen, entsprang spontaner Begeisterung. Diese stellte sich ein, nachdem Laureen und ihr Ehemann Koos im Erdgeschoss die Schalterhalle einer ehemaligen Bank entdeckt hatten, die sich einst im Gebäude befunden hatte – mit originalem Blattgold, Säulen aus rotem Marmor und Mahagoni. „Ich habe das Gebäude gesehen und bin quasi sofort eingezogen“, sagt Laureen. Da sie die ersten Käufer waren, halfen ihnen die Gebäudearchitekten, drei Einheiten zusammenzuführen und die Innenräume individuell zu gestalten. Auf 200 Quadratmetern entstand so ein lichtdurchfluteter Raum mit doppeltem Volumen, gewissermaßen halb Bahnhof, halb Bauhaus-Filmset.

Auf einem alten Apothekenschrank finde sich Keramik von ortsansässigen Künstlern.

„Es war ein erstaunliches Projekt und eine einzigartige Gelegenheit“, sagt Laureen, „auf diese Weise in einer afrikanischen Stadt zu leben“. Der strengen Architektur des Gebäudes folgend, beließ sie den Zuschnitt der Innenräume weitgehend im Originalzustand und ergänzte das Ensemble durch eine Ausstattung, die Exzentrizität und Humor auf geschmackvolle Weise miteinander versöhnt. Badezimmer mit U-Bahn-Fliesen und Labordetails, Tierpräparate, ein Swarovski-Kristallleuchter und ein komplett weißes Schlafzimmer im Zwischengeschoss, das wie eine Art Wolke über dem Wohnraum schwebt.

Schönes Stilleben: Keramik und die Zeichnung einer adligen Dame.


„Man kann mit dem strengen Stil des Bauhauses durchaus seinen Spaß haben“, sagt sie über ihre Lieblingsperiode, „aber das Ganze hat nichts Oberflächliches an sich, die Stücke sind funktional.“ Den Grund dafür sieht sie im Gebäude: „Es bildet eine großartige Hülle. Du könntest alles Hässliche in diesen Raum packen und es würde immer noch schön aussehen.“ Und es ist wunderschön. Wirklich.

Diele mit Piff: Auf dem Garderobenständer türmen sich Sonnenhüte.

Eine riesige Fläche honigfarbenen Parketts empfängt den Gast beim Betreten der Doppeltüren mit ihren Glasscheiben in der „Schulhalle“ – der erste Hinweis auf Laureens Fixierung auf den öffentlichen Raum. Rechts die Küche zum Kochen und links die Spülküche. „Wie eine jüdische Fleisch- und Milchküche“, lacht sie. Die Küchen sind beide stählerne Wirtschaftsräume und wurden zweigeteilt und durch Glasfenster vom Eingang getrennt, um einen definierten Durchgang in die Wohnung zu schaffen. „Ich wollte nicht durch die Küche“, sagt Laureen, „ich wollte mich ganz besonders fühlen, wenn ich hier eintrete. Ich habe drei Wochen lang ununterbrochen darüber nachgedacht, ein Architekt hätte das nicht tun können, aber ich liebe es, solche Probleme zu lösen.“

Oberhalb der Küche befindet sich in einem Zwischengeschoss das Schlafzimmer der Tochter.

Hinter dem Eingang befindet sich der Wohnbereich, den sie als ihr „Wartezimmer“ bezeichnet, das mit kurvigen Stühlen aus den 50er-Jahren, einem braunen Samtsofa und einem von Laureen selbstentworfenen lackierten Couchtisch ausgestattet ist, flankiert von zwei goldenen Beistelltischen des südafrikanischen Gestaltungsbüros Tonic Design: „Meine goldene Bühne.“

Rustikaler Charme im Wohnzimmer mit Tierfellen und einem braunen Samtsofa.

Das Ergebnis ist ein Raum, der wie gemacht scheint für den großen Empfang. „Mein Vater war Zahnarzt und als ich hier fertig war, sagte ich zu meinem Mann, das sieht genauso aus wie seine Praxis.“ Der Essbereich präsentiert wertvollere Möbelstücke – eine Ansammlung von Kirchenstühlen, die in einem Trödelladen entdeckt wurden, einen Stahltisch des zeitgenössischen Designers Gregor Jenkin, einen klassischen Apothekenschrank, in dem Keramik von lokalen Künstlern drapiert ist, und eine schöne französische Kommode, abgebeizt bis auf die ursprüngliche Holzmaserung und durch Griffe aus Halbedelsteinen individualisiert. 

Das Wohnzimmer mit dem von Laureen selbst entworfenen lackierten Couchtisch.

Jedes Zimmer und Möbelstück ist durch Laureen verwandelt worden. Neben dem Design gilt Laureens andere große Liebe der Mode, und so kleidet sie alles in ihrem Zuhause immer wieder neu und stylt es als eine Art bessere Version von sich. Ihre Liebe zur Geschichte und zur Mode prägt viele ihrer Entscheidungen, angefangen bei den Kronleuchtern, die sie an die Diamantbrosche ihrer Mutter erinnerten, bis hin zu den Sepia-Fotografien ihrer Verwandten aus dem Burenkrieg im Schlafzimmer. „Sie waren so stilvoll“, sagt sie. „Sogar die Männer trugen Ohrringe.“

Blick vom Essbereich hinüber zum Schlafzimmer.

In Fortsetzung der Designmetapher des öffentlichen Raums führen aus Strahlrahmen konstruierte Glastüren zu beiden Seiten der Wohnräume in das Hauptschlafzimmer links und in die Bibliothek rechts. Die Idee für die Bibliothek begann mit einer viktorianischen Eisenbahnuhr an der Wand. Von dort führt der Blick zu einem übervollen Bücherregal aus Stahl, das bis zur Decke reicht. „Ich wollte, dass sich die Wohnung wie ein schickes Bahnhofshotel anfühlt“, sagt Laureen. „Und dann sah ich in einer Zeitschrift ein Bild von einem Bücherschrank aus Stahl mit einer Leiter und einem Podest, und das passte zu meiner Vorstellung vom Bahnhof. Das wurde mein Storyboard für die Wohnung.“

Das Esszimmer wurde mit ehemaligen Kirchenstühlen bestückt.

Das Hauptschlafzimmer setzt das Thema mit einfachen, maßgeschneiderten Möbeln fort. Eine vollständig mit Blattgold tapezierte Wand setzt nachgerade dramatische Akzente. Anstelle eines Kopfteils stehen am Bettende zwei große botanische Schwarz-Weiß-Gemälde eines lokalen Künstlers, während Servierwagen aus den 50er-Jahren als offene Beistelltische dienen.

Die Küchenfronten bestehen aus Edelstahl und bringen einen kühlen Touch in die Wohnung.

Die einzige Abweichung vom Thema ist das skurrile Zwischengeschoss mit Glaswänden über den Küchen und dem Eingang. Dies ist das Fantasie-Schlafzimmer eines kleinen Mädchens, das für die jüngere Tochter von Rossouws, Laura, geschaffen wurde. „Es war das Einzige, was ich mit dem Zwischengeschoss machen konnte“, sagt Laureen. „Es brauchte Licht und eine Aussicht, aber auch Privatsphäre.“ (Sie gibt zu, dass der weiße Teppich möglicherweise nicht die praktischste Wahl für ein Kinderzimmer war …)

Edle Note: Eine Wand im Schlafzimmer wurde mit Blattgold tapeziert.

Wenn es nicht das berühmteste Apartment in Südafrika ist, ist es mit Sicherheit das nachdenklichste, das eleganteste und das denkwürdigste. Gefüllt mit Kunst, maßgeschneiderten Designs, originalen Sammlerstücken („Ich kaufe keine Kopien“), Erinnerungsstücken und geliebten Gegenständen ist es eine Hommage an alle großen Geliebten in Koos und Laureens Leben: Geschichte, Kunst, Design, Bücher, ihre Kinder und vor allem ihr Erbe und ihre Stadt. „Was ich am Leben hier besonders mag, ist, dass es so ist, als ob man Teil der Stadt ist. Es gehört nicht uns allein, wir müssen es teilen.“

Designerin Laureen Rossouw vor der mit Blattgold verzierten Schlafzimmerwand.

Text//Kate Wilson   Fotos//Greg Cox und Inge Prins

Art Déco Kapstadt Laureen Rossouw Südafrika Wohnen im Hochhaus