Jemals im Bett gewesen mit einer Mode-Designerin? Unter uns gesagt: Es ist eine wahre Wonne, eingekuschelt neben der Pyjama-Queen Olivia von Halle zu liegen, während ihr Boxer “Bathtub” friedlich neben uns döst. Das Schlafzimmer mag zwar ein außergewöhnlicher Ort sein für ein Interview – zumal es in ihrem prachtvollen georgianischen Haus in Islington reichlich Räume zu entdecken gibt. Aber dieser Platz ist absolut angemessen für das Treffen mit jener Frau, die den Schlafanzug wieder in ein Luxusobjekt verwandelt hat.
Als sie 2011 ihre erste Kollektion herausbrachte, hatte von Halle damit sofort durchschlagenden Erfolg. Mit ihren sinnlichen und raffinierten Pyjamas aus bedruckter Seide setzte sie sich im Alleingang an die Spitze eines neuen Trends: Der gute alte Pyjama wurde zum Hausanzug geadelt. Heute umfasst das Label eine breite Palette an Nachtwäsche – Kimonos und Morgenmäntel, Nachthemden, Tops, Shirts, Camisoles und Chemisen – und wird über den exklusiven Fachhandel sowie Luxusonline-Shops vertrieben.
Mit dem Missy Tracksuit, der im vergangenen Jahr gelauncht wurde, versetzte Olivia von Halle die Modewelt in Ekstase. Der Zweiteiler aus einer Seiden-Kaschmir-Mischung wird – Gipfel des Luxus – auf Wunsch nach Maß gefertigt und mit einem edlen Monogramm von Englands feinster Stickereimanufaktur, Hand & Lock, versehen. So wundert es nicht, dass berühmte Schönheiten wie Cara Delevigne, Kate Moss und Victoria Beckham zu seinen Fans zählen. Ich konnte ihn sogar am Leib seiner Schöpferin bewundern: Olivia von Halle ist mit ihren über 1,80 m und einem untrüglichen Sinn für Style eine Frau, die aus jeder Menge heraussticht.
Waren Pyjamas einst das obligatorische Weihnachtsgeschenk, sucht man sie heute in der Erwachsenengarderobe jedoch vergebens. Zum Abhängen zu Hause tut es schließlich ja auch ein Schlabber-T-Shirt (möglichst das Erbstück eines lang Verflossenen). Wie auch immer, dank der Eingebung von Olivia von Halle haben Frauen wieder Spaß daran gefunden, sich für den gemütlichen Feierabend auf der Couch fein zu machen.
Als ich in Shanghai lebte, malte ich mir aus, wie elegant es wäre, wenn ich nach den vielen Partys zu Hause in einen bedruckten Seidenpyjama schlüpfen könnte“, blickt Olivia zurück. Zum Glück hatte von Halle eine Geheimwaffe, um diese Phantasie in die Wirklichkeit zu überführen: einen wahnsinnig talentierten Schneider
„Er war der Traum jeder Frau und konnte Lanvin-Kleider direkt aus der Vogue nachschneidern. Er nähte mir ein paar Pyjamas und ich war diesen sofort verfallen. Freunde bettelten mich an, ihnen auch welche zu machen, und ehe ich mich’s versah, hatte ich eine Bestellliste, die so lang war, dass mein Schneider sie unmöglich jemals abarbeiten konnte.“
Aus dieser Intuition ein gutgehendes Geschäft zu machen, fiel der Fashion-Trendforscherin mit einem Abschluss in Mode-Management nicht schwer. Olivia von Halle hatte immer schon von einem Leben in der Modewelt geträumt. Ihre Kindheit war indessen alles andere als glamourös gewesen. Sie wuchs auf einer Milchfarm in Kent auf und lebte dort mit ihren Eltern, Großeltern, Tanten, Onkeln und Cousins unter einem Dach. Die Freiheit einer typischen Kindheit auf dem Lande und eine enge Naturverbundenheit prägten ihre Jugend. Es war das absolute Gegenteil zu ihrem heutigen Jet-Set-Leben.
„Meine Schwester und ich hatten Pferde und ritten jeden Tag aus – ganz ohne Handy“, erinnert sie sich. „Wenn ich heute daran denke, wirkt das außergewöhnlich, aber es war himmlisch.“
Mit zwölf entwickelte sich ihr Interesse für Mode. „Das war 1995 und ich wollte unbedingt so aussehen wie Cher in ‚Clueless – was sonst!‘“. Aber sie lebte auf dem Land, und ihre Mutter hasste Shopping. So trug die junge Olivia meistens abgelegte Kleider oder Sachen, die sie aus der Verkleidungstruhe fischte. „Ich muss nicht betonen, dass ich in meiner Jugend meistens aussah wie eine Oma aus den 70ern. Aber das zwang mich, einen eigenen Stil zu entwickeln, eine furchtlose Art mich zu kleiden.“
So furchtlos und mutig, dass sie zu ihrer Hochzeit mit dem Filmproduzenten Hugo von Halle einen schreiend pinkfarbenen Catsuit mit riesigen Schulterpolstern trug. Sie war 24 und fühlte sich noch viel zu jung, um fest Wurzeln zu schagen. Das Paar kündigte und ging nach Shanghai, lernte an der Shanghai Jiao Tong Universität Mandarin und ließ sich vom Fernen Osten inspirieren. Der Umzug wurde zum Katalysator, der aus der Trendforscherin Olivia von Halle eine echte Designerin machte.
Die bekennende Exzentrikerin hat seitdem ihren Look etwas domestiziert. “Heutzutage bin ich unterwegs zu Geschäftsterminen und nicht, um Leute zu erschrecken“, lacht sie. Dennoch bleibt sie weiterhin kühn in ihrer Kombination von High-Fashion-Ästhetik, bekannten Designer-Zitaten und der eigenwilligen Vorliebe für Nischenmarken.
“Ich liebe zum Beispiel Abendkleider von Alessandra Rich, lockere Tagesgarderobe von Kenzo, Sonnenbrillen von Prism, Jeans von Acne, Schuhe von Atalanta Weller und Taschen von Celine.”
Was ist ihr bei anderen Modedesignern besonders wichtig?
“Ich habe so viel über Qualität und Veredelungstechnik gelernt, dass es mir inzwischen schwer fällt, hier Kompromisse zu machen. Zum Glück bin ich mit vielen Designern befreundet. Wir tauschen Stücke untereinander, so dass die Dinge erschwinglich bleiben.“
Dabei zählen von Halles eigene Kollektionen zum High-End. Ein Baumwollpyjama kostet rund 240,00 €, in der Seidenversion liegt er bei 378,00 € und als Seidenrobe kommt das Stück auf 530 etwa 607,00 €. Der Missy Tracksuit schlägt mit stolzen 1.088,00 € zu Buche. Das Label bedient die Sehnsucht nach Luxus, die Groß Britannien beherrscht, seit die Rezession zur Erinnerung verblasst ist. Und auf den globalen Wachstumsmärkten, wo Extravaganz das Objekt der (Investitions-) Begierde ist, trifft Olivia von Halle mit ihrer Edel-Marke voll ins Schwarze. Dabei achtet sie selbst auf Fair Trade: Sie erhielt den Blue Butterfly Trust Mark Preis, eine Auszeichnung die Unternehmen und Marken verliehen wird, die einen positiven Einfluss auf den Planeten und seine Bewohner ausüben.
Das ehemalige Bauernmädchen pflegt einen internationalen Lifestyle: Mindestens drei Monate im Jahr jettet sie durch die Welt, überwacht die Produktion in Shanghai, präsentiert die Kollektionen in Paris und New York und organisiert den Vertrieb in den Wachstumsmärkten Russland und Vorderer Orient. Dennoch, so meint sie, bleibe sie ein bodenständiger Mensch, der sich “in Regen und Matsch“ am wohlsten fühle.
“Auf dem Land bin ich viel stärker mit mir verbunden”, sagt sie, “und obwohl ich London liebe, träume ich davon, mir ein Haus auf dem Land zu kaufen und wieder Pferde zu besitzen.”
Wenn ihr jüngster Coup gut anläuft, sollte der Erfüllung dieses Traumes nichts entgegen stehen. Das Label hat zusammen mit einem namhaften englischen Finalisten in London zwei temporäre “Flash”-Stores eröffnet und für den Online-Händler Net-A-Porter eine exklusive Hochzeitskollektion entworfen. Sie umfasst alles, was eine moderne Braut für ihre Aussteuer braucht –elfenbeinfarbene Seidenpyjamas und Morgenmäntel mit Schleppe inbegriffen. Wenn Sie mich fragen, kriegt man da sofort Lust sich zu verloben.
Dennoch, für „OvH“ besteht der Sinn von Luxus nicht im Ausdruck von Exklusivität, Prunk oder Glanz. Es geht ihr vielmehr um einen subtilen Genuss, der Eleganz und Lässigkeit verbindet. Ausgerichtet an diesem Ethos sind Olivias Muse einzig die Freunde, die schon bei ihrer ersten Kollektion die Hauptrolle spielten.
Ich muss an Marylin Monroe denken und ihren berühmten Ausspruch, dass sie im Bett nur einen Tropfen „Chanel no 5“ trage. Ich habe das Gefühl, wenn sie heute noch lebte, fiele ihre Antwort anders aus.
Text: Olivia Palamountain
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