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Investieren und helfen
By Editorial Department access_time 7 min read

Es sind gewaltige Summen, die mit der nachhaltigen Entwicklungsagenda der UNO in Verbindung gebracht werden: Gemäß Berechnungen wird die Umsetzung der 17 globalen Ziele, die im vergangenen Herbst von der UNO-Generalversammlung verabschiedet worden sind, bis 2030 pro Jahr zwischen 3300 und 4500 Milliarden Dollar kosten.

Zwei Drittel dieser Investitionen fallen in Entwicklungsländern an. Die traditionelle Entwicklungshilfe ist mit einem jährlichen Volumen von weltweit rund 150 Milliarden Dollar nicht in der Lage, diesen Finanzbedarf für Infrastruktur-, Gesundheits- und Bildungsprojekte zu decken. Bereits jetzt kommt es zu Engpässen: Im vergangenen Jahr konnte nur die Hälfte der Projekte der UNO-Hilfswerke finanziert werden. Fachleute sind sich deshalb seit längerem einig, dass die Privatwirtschaft stärker in entwicklungspolitische Projekte einbezogen werden muss. „Ohne private Gelder kann die neue Entwicklungsagenda nicht umgesetzt werden“, ist Nannette Lindenberg vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik überzeugt. Da eine zunehmende Zahl privater und institutioneller Anleger Wert legt auf die gesellschaftliche Wirkung und auf die Nachhaltigkeit ihrer Investitionen, besteht durchaus ein geteiltes Interesse an einer Kooperation.

Helfer-Konvoi im Sudan.
Helfer-Konvoi im Sudan.

Vor diesem Hintergrund sind in den letzten Jahren sogenannte Development Impact Bonds (DIB) in den Fokus gerückt. Solche sozialen Wirkungskredite sollen helfen, privates Kapital für Entwicklungsprojekte zu mobilisieren. Das Prinzip ist relativ einfach: Ein ausgewähltes Entwicklungsprojekt wird von privaten Anlegern vorfinanziert, von einer Entwicklungsorganisation – beispielsweise einer NGO – lokal umgesetzt und nach dem Projektende von einem unabhängigen Gutachter anhand vordefinierter Indikatoren evaluiert. Erreicht oder übertrifft das Projekt die vereinbarten Zielwerte, erhält der Investor von einer Geberorganisation – etwa von einer staatlichen Entwicklungsagentur – sein Investment zurückerstattet, ergänzt durch eine erfolgsabhängige Rendite. Werden die Zielwerte verfehlt, trägt der Investor einen Teil des Verlustes mit.

„150 Milliarden Dollar beträgt das jährliche Volumen der traditionellen Entwicklungshilfe.“

 

Ein Paradigmenwechsel

Für Sabine Döbeli, CEO von Swiss Sustainable Finance, stellen DIBs einen Versuch dar, den steigenden Bedarf an Entwicklungsgeldern mit der privatwirtschaftlichen Nachfrage nach profitablen sozialen Investments zu verknüpfen. Die Idee zu diesen Bonds, die formell einem erfolgsabhängigen Darlehen entsprechen, geht auf das Konzept der Social Impact Bonds zurück. Sie fanden in den letzten Jahren vorab im angelsächsischen Raum Verbreitung. Die Studie einer von der G8 eingesetzten Taskforce ist 2014 zum Schluss gekommen, dass Wirkungsanleihen einen Paradigmenwechsel markieren und eine treibende Kraft sind, um die schwierigsten gesellschaftlichen Probleme zu lösen.

Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zählte die Optimus-Stiftung der UBS vor drei Jahren zu den Ersten, die einen entsprechenden Bond auflegten. Ziel des noch laufenden Projekts, das in Zusammenarbeit mit einer britischen Stiftung umgesetzt wird, ist die Verbesserung der Schulbildung für Mädchen im indischen Rajasthan. Das Volumen des UBS-Bonds ist mit einer Viertelmillion Dollar noch gering, seit 2014 wurden aber rund ein Dutzend größere DIBs lanciert oder angekündigt. Unlängst machte auch die Weltbank ihre Absicht publik, einen ersten DIB auf den Markt zu bringen.

Mobile Klinik in Darfur.
Mobile Klinik in Darfur.

Für Aufmerksamkeit sorgte zudem der im Januar angekündigte DIB des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), der das Konzept des wirkungsorientierten Investments auf die humanitäre Hilfe ausweitet. Mit privat vorfinanzierten Geldern in der Höhe von 30 Millionen Dollar will das IKRK Rehabilitationszentren in konfliktbetroffenen Staaten wie Afghanistan, Jemen oder Zentralafrikanische Republik aufbauen. „Angesichts der enormen Not, mit der wir uns konfrontiert sehen, sind wir gezwungen, alternative Finanzierungswege einzuschlagen“, erklärt Christopher Greenwood vom IKRK.

 

Klarer, sozial messbarer Impact

Noch sind die Verhandlungen der Genfer Hilfsorganisation mit staatlichen Gebern nicht abgeschlossen. Bei privaten Investoren sei das Produkt aber bereits auf reges Interesse gestossen, sagt Greenwood. Dies hänge einerseits damit zusammen, dass bei einem Investment in den IKRK-Bond ein klarer, sozial messbarer Impact ausgewiesen werden könne. Andererseits mache die Unabhängigkeit vom Finanzmarkt das Produkt zu einer attraktiven Diversifikationsinvestition.

Manuel Lewin, Head of Responsible Investment Zurich Insurance Group, hält DIBs für interessante Anlageprodukte. DIBs böten die Möglichkeit, eine attraktive Rendite mit dem gewünschten positiven Einfluss im Sozial- oder Umweltbereich zu verknüpfen. Gleichwohl hat die Versicherungsgesellschaft bislang nicht in entsprechende Bonds investiert. „Aktuell gibt es für uns noch offene Fragen, es fehlen die Erfahrungswerte“, sagt Lewin. Die Hauptschwierigkeit sei, das Risiko einer solchen Investition zu evaluieren.

Ein Junge trinkt eine Salzlösung.
Ein Junge trinkt eine Salzlösung.

Für Sabine Döbeli von Swiss Sustainable Finance ist diese Zurückhaltung, die in der Schweiz bei institutionellen Anlegern bislang überwiegt, keine Überraschung. Für ein innovatives Produkt wie die IKRK-Anleihe muss sich das Interesse auf dem Markt erst noch entwickeln. Döbeli ist überzeugt, dass die Privatwirtschaft eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der UNO-Entwicklungsagenda spielen muss. Ein Investment in dieses noch recht exotische Nischen produkt sei ohne entsprechende Erfahrungswerte, aber mit gewissen Risiken verknüpft. Möglicherweise seien DIBs vorab für Stiftungen und private Investoren interessant, meint Döbeli.

„4 Billionen Dollar kostet durchschnittlich die Umsetzung der nach haltigen Entwicklungsagenda der UNO bis 2030 jährlich.“

 

Interessiert, aber zurückhaltend

Letztlich hängt der Erfolg der DIBs aber auch von der Unterstützung der Geberorganisationen ab. Für diese könne ein Engagement in diesem Bereich durchaus Vorteile bieten, sagt Entwicklungsexpertin Nannette Lindenberg. Solche Bonds könnten dazu beitragen, dass die Transparenz, die Wirksamkeit und das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Entwicklungsprojekten verbessert werden. Zudem könnten Geberorganisationen zumindest einen Teil des Risikos an private Investoren auslagern, da sie nur jene Projekte vollumfänglich finanzierten, die die vereinbarten Zielwerte erreichen. In den USA sind aufgrund dieser Vorteile bereits Forderungen laut geworden, künftig 10 Prozent des Entwicklungsbudgets zur Deckung von DIBs einzusetzen. In der Entwicklungsbranche gibt es allerdings auch kritische Stimmen. Bemängelt werden etwa die hohen Transaktionskosten sowie der administrative Überbau. Nach der Lancierung des IKRK-Bonds meinten Kritiker zudem, die humanitäre Hilfe solle nicht privatwirtschaftlichen Mechanismen unterworfen werden. Für Nannette Lindenberg ist derweil klar, dass das Potenzial des Produkts bislang in der Hauptsache auf theoretischen Überlegungen gefußt hat. Auch Christopher Greenwood spricht von einem Pilotprojekt: Wir müssen nun herausfinden, ob das in der Praxis eine gute Idee ist.

 

WIN-WIN-SITUATION

Was ist ein Social Impact Bond?

Bei Social Impact Bonds (SIBs) handelt es sich um sektoren-übergreifende Kooperationen: Beteiligt an einem SIB sind in der Regel ein oder mehrere soziale Dienstleister, private, wirkungsorientierte Investoren und der Staat.

Die Zusammenarbeit der Parteien ist vertraglich geregelt. Hier werden die konkreten Finanzierungsmechanismen, die Verteilung von Risiken und die gewünschten Ergebnisse (Wirkung) festgelegt und die Verpflichtungen der Akteure vereinbart:

  • Der soziale Dienstleister verpflichtet sich, eine bereits erprobte Intervention zu erbringen und dadurch eine messbare soziale Wirkung zu erzielen. Dies kann zum Beispiel die enge Begleitung und Unterstützung von jungen Langzeitarbeitslosen sein, die dadurch mit höherer Wahrscheinlichkeit langfristig in den Arbeitsmarkt integriert werden können.
  • Die Intervention wird durch privates Investitionskapital finanziert. Erreicht die Intervention die festgelegte soziale Wirkung, erhalten die Investoren das eingesetzte Kapital und eine Rendite, die von der Wirkung der sozialen Maßnahmen abhängt.
  • Die ausgezahlte Rendite kommt in diesem Fall nicht direkt vom Kapitalempfänger (dem sozialen Dienstleister), sondern wird von der öffentlichen Hand gezahlt, wenn die finanzierte Intervention sich als wirksam erweist und sich dadurch Einsparungen in den öffentlichen Kassen generieren lassen.

In einem etablierten Sozialsystem wie Deutschland können wirkungsorientierte Investitionen (WI) hauptsächlich komplementär zur bestehenden Finanzierung wirken: mittels WI kann zusätzliches Kapital zur Förderung von Prävention, Innovation und Skalierung in die Sozialwirtschaft geleitet werden.

(Quelle: Bertelsmann-Stiftung)

 

PIONIERARBEIT

IKRK-Bonds

Der am diesjährigen WEF angekündigte Humanitarian Impact Bond des IKRK hat ein Volumen von 30 Millionen Dollar. Mit dem Geld sollen in verschiedenen Konfliktregionen Rehabilitationszentren finanziert werden, die Laufzeit beträgt fünf Jahre. Gemäss IKRK sind die genauen Konditionen für Anleger noch nicht definiert. Aktuell gehe man aber von einer Maximalrendite im hohen einstelligen Bereich aus, sagt Christopher Greenwood vom IKRK. Als Geber konnte die Genfer Hilfsorganisation bislang die belgische Entwicklungsagentur gewinnen, mit weiteren Geberorganisationen würden Gespräche geführt.

 Text von Fabian Frech (Handelszeitung); Fotos Internationales Rotes Kreuz