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Ganz eigene Klasse
By Editorial Department access_time 11 min read

Besondere Jagdwaffen liegen als Investitions- und Kunstgegenstand hoch im Kurs – hier die Gründe.

TEXT//SÖREN PIOT DE COURCELLES

Waffen sind ein heikles Thema. Kaum ein Gegenstand ist gesellschaftlich derart kontrovers aufgeladen und wird so heiß diskutiert. Längst ist es nicht mehr die Angst vor zu laschen Waffengesetzen, sondern das Aufeinandertreffen von Ideologien und dazugehörigen Interessen. Wer Wolf und Wisent als neue Bewohner im heimischen Wald verdrängen möchte, der braucht eine Waffe. Das macht in vielen Köpfen aus einem Gegenstand, der Ingenieuren und Kunsthandwerkern Meisterleistungen abverlangt, ein einfaches Schießgewehr, eine Tötungsmaschinerie ohne Ästhetik. 

Eine Jagdwaffe von Sauer mit geöffnetem Lauf.

Dass das falsch ist, leuchtet schon dann ein, wenn man die Maserung auf einem Schaft aus edlem Nussbaumholz betrachtet. Nach dem Betrachten folgt die Haptik und spätestens dann versteht man, dass hier hochwertigstes Handwerk vor einem liegt. Handwerk, das in seiner aufwendigsten Ausführung um die 25.000 Euro kosten kann und per se keine wirklichen Preis- und Aufwandsgrenzen zu kennen scheint.

Arbeiten an einer Purdey.

Investitionen, die insbesondere Waidmänner und -frauen zu tätigen bereit sind. Dabei geht es zum einen um eine hochwertige Waffe, die technisch ein sicherer Begleiter auf der Jagd ist. Zum anderen ist eine Waffe immer ein Ausdruck des persönlichen Stils und Geschmacks ihres Besitzers. Nicht umsonst ist die Gestaltung von Jagdwaffen von alters her eine Fusion von Disziplinen wie Goldschmiedekunst, Schreinerei oder Ingenieurswesen. Ein solches Alltagskunstwerk soll bei seiner Vollendung im optimalen Fall einen Teil der Seele seines Besitzers reflektieren. Waffen, die so hochwertig von Hand hergestellt wurden, begleiten ihren Träger durch sein Leben und werden nicht selten an die nächste Generation weitergegeben.

Nicht nur Schall und Rauch: Die Bockdoppelflinte von Artemis von J. P. Sauer & Sohn für Damen.

„Für mich muss es Holz sein, ich persönlich würde mich mit einem modernen Material wie Carbon schwertun. Selbst habe ich eine wunderschöne, alte Büchse meines Vaters übernehmen dürfen. In ihrem Holzschaft sind drei Silberfiguren eingelassen, Reh, Schwein und Fuchs, was sie noch ein wenig besonderer für mich macht“, beschreibt Annabelle Wätjen, Agrarwirtin und Jägerin aus Niedersachsen, ihre liebste Jagdwaffe. So gesehen sind Waffen, die ohne Funktionsverlust weitergegeben werden können, eine lohnende Investition. Insbesondere die Option, eine hochwertige Waffe auch nachträglich noch modifizieren zu können, macht einen Teil ihrer Vielseitigkeit als Sachwert aus. Schäfte lassen sich austauschen, Läufe gravieren und bei der einfach aufgesetzten Optik sind dem Besitzer keine Grenzen gesetzt. 

Feinstes Kunsthandwerk: Gravur-Arbeit für eine Waffe des britischen Traditionsherstellers James Purdey & Son.

Wie wertvoll Waffen auch mit der Zeit werden können, beweist immer wieder eindrucksvoll das englische Auktionshaus HOLTS. Hier gingen schon Schrotflinten des Traditionsherstellers James Purdey & Son für umgerechnet über 115.000 Euro unter den Hammer, Preistendenz steigend. Flinten gehören zur Ausstattung des englischen Landbesitzers, genauso wie sein Tweed. Das 1814 gegründete Unternehmen kreiert seiner willigen Kundschaft bis heute die perfekte Waffe. Insbesondere die kunstvoll gravierten und in Gold emaillierten Läufe seiner traditionellen Double Rifles verlassen schon beinahe den Kosmos des einfachen Handwerks und werden zu Kleinkunstwerken eigener Klasse. Mit der „Rose and Scroll“-Gravur entwickelte Purdey im Jahr 1870 die eigene Signaturgravur und damit gleichzeitig das wohl meistkopierte Gravurmuster auf englischen Flinten. Als eine aufrichtige Form der Schmeichelei beschreibt die Londoner Firma diese Art des Plagiats. Eine Haltung, die sich der britische Hersteller erlauben kann, nachdem seine Flinten in Sammlerkreisen als eines der wertstabilsten Fabrikate gelten.

Die „Rose and Scroll“-Gravur von Purdey.

„Für mich ist es sehr wichtig, die Werte und Traditionen meiner Familie weiterzuführen, und dazu gehört auch die Jagd. Aus diesem Grund würde ich am liebsten mit der Flinte jagen, die mein Großvater von meinem Urgroßvater geschenkt bekommen hat und die mein Vater heute führt: eine Doppelflinte von Merkel aus Nussholz mit deutscher Backe und dezenter Gravur. Sie ist nach meinem Empfinden sehr klassisch schön und ästhetisch, ohne zu stark aufzufallen. Leider ist sie für mich viel zu groß, weshalb ich geneigt wäre, nach London zu Purdey’s zu gehen, um mir meine eigene ganz individuelle Flinte machen zulassen, die ich irgendwann meinen Töchtern weitervererben kann“, erklärt Christiana Brand, 28 Jahre alt und seit 16 Jahren aktive Waidfrau, ihr persönliches Verhältnis zu Jagdwaffen.

Das Audley House ist seit 1883 Hauptsitz der englischen Traditionsmanufaktur Purdey.

Insbesondere das Holz der Schäfte ist wortwörtlich eine Klasse für sich. Die Unterscheidung in Holzklassen gibt aufsteigend Auskunft über die Qualität und Exklusivität des jeweiligen Rohstoffs.

Wer seine Merkel-Flinte ganz individuell gestalten möchte, wählt mit einem erfahrenen Schäfter sein Holz selbst im Lager der Firma.

Merkel benutzt ausschließlich einwandfreie Hölzer von bis zu 300 Jahre alten Bäumen. Wer seine Flinte ganz individuell aussuchen möchte, macht einen gesonderten Termin aus und wählt mit einem erfahrenen Schäfter sein Holz selbst im Lager der Firma. 

Arbeiten am Schaft einer Merkel.

Natürlich gibt es auch die großen Namen, die längst zu Platzhirschen auf dem Markt herangereift sind. Ein solch kapitaler Hirsch ist die Firma Merkel in Suhl, Thüringen, bekannt für hochwertige Flinten. Der Bestseller unter den Meisterwerken von Merkel ist die Helix. Die Waffe kommt in verschiedenen Ausführungen daher, zum Beispiel mit Kunststoffschaft und höhenverstellbarer Schaftbacke, als Model Helix Alpinist. Wie der Name vermuten lässt, ist sie insbesondere die richtige Wahl für die Gebirgsjagd, bei der präzise Schüsse auf weite Distanz das A und O sind. Neben dieser praktischen Sonderkonstruktion lässt sich die Helix von ihrem Käufer auch ganz frei konfigurieren. 

Plan für die Herstellung eines Maßschaftes bei Merkel.

Man muss aber nicht erst nach England schauen, um ausgezeichnete Waffenhersteller zu finden. Neben bekannten Büchsenmachern wie Hartmann & Weiss gibt es viele kleine heimische Manufakturen auf der gesamten Landkarte verstreut, deren Arbeit hoch gelobt wird. Darunter findet sich auch die Waffenschmiede von Mark Ganske. Der Büchsenmacher fertigt auf seinem Hof in der Lüneburger Heide hochwertigste Waffen für eine anspruchsvolle Klientel. Eine gute Waffe muss für den verantwortungsvollen Waidmann oder die Waidfrau sitzen wie ein Maßanzug und ihren Zweck uneingeschränkt erfüllen können. „Als Jäger ist es unsere Pflicht, gut zu treffen, und dafür brauchen wir Waffen, die exakt zu uns passen “, kommentiert Ganske den Zweck seiner Produkte und unterstreicht damit auch die Verantwortung, die mit deren Nutzung einhergeht.

Ausserordentliche Ästhetik: Eine Merkel Helix mit Munition und Jagdmesser.

 Aber nicht nur das Holz macht die Helix zu einer Jagdwaffe mit außerordentlichem ästhetischem Potenzial. Trotz der Hightechfertigung von Merkel werden auch nach wie vor kleine Kunstwerke von Hand auf das System gebannt. Besonders schön ist eine Arbeit von Graveurin Karola Knoth, die mit Hunting Magic Moments eine Komposition aus verschiedenen Wildtieren in Bewegung auf der Helix verewigt hat. „Erst die handgestochene Gravur macht aus dem Gebrauchsgegenstand Waffe ein personifiziertes Kunstwerk. Der Besitzer der Waffe kann über die Gravur seine persönliche Haltung zum Wild und zur Natur zum Ausdruck bringen. Die Gravur macht aus der Massenware ein individuelles, von Hand verziertes Einzelstück“, erklärt Lutz Morgenroth, seit 38 Jahren im Unternehmen beschäftigt und technischer Leiter der Produktion, die Wichtigkeit einer persönlichen Gravur.

Gravurmeisterin Karola Knoth von Merkel: Um Muster und Tierdarstellungen perfekt umzusetzen, bedarf es einer ruhigen Hand und jahrelanger Erfahrung.

Dass Kreativität und Handwerk wirklich so gut wie keine Grenzen gesetzt werden können, beweist auch Waffenhersteller Blaser in Isny, Baden-Württemberg. Ein Team von herausragenden Graveuren, Meister ihres Faches, zaubert Kunstwerke auf die Waffen. Auf dem Herz des Gewehres, dem Systemkasten, verewigen sie selbst erdachte oder von der Kundschaft gewünschte Motive aus Silber, Gold oder mit gefassten Edelsteinen. Dabei sind Szenen von abstrakt bis völlig naturalistisch ausgearbeitet möglich. Ein solches Kunstwerk fertigte die Firma zum Jubiläum ihrer Repetierbüchse R8. Die R8 100.000 ist mit einer Gravur des Blaser-Wappentiers, des Argali, versehen. 

Eine Waffe ist immer auch ein Ausdruck des persönlichen Stils und Geschmacks ihres Besitzers. Die R8 100.000 von Blaser ist mit der Gravur des Blaser-Wappentiers, des Argali, versehen.

„Der in Einzelanfertigung ausgeführte, hochglanzpolierte, kannelierte Achtkantlauf wurde vom Team des Blaser Custom Shop mit Visierteilen versehen, die – aus dem Vollen gearbeitet – der exquisiten Laufsilhouette harmonisch folgen. Das skelettierte Achtkant-Pistolengriffkäppchen und die Stahlschaftkappe mit edlen Inlays aus Ebenholz vervollkommnen das einzigartige Wurzelmaserholz der höchsten Blaser Schaftholzkasse zu einem Meisterwerk auf Holz und Stahl. Der Systemkasten wurde komplett von Hand fassoniert“, beschreibt die Firma Blaser offiziell ihr Meisterwerk und hat damit einen kunsthandwerklichen Gebrauchsgegenstand geschaffen, dem der Wertzuwachs schon beinahe garantiert ist.

Das skelettierte Achtkant-Pistolengriffkäppchen mit einem Inlay aus Ebenholz vervollkommnen das Wurzelmaserholz einer Blaser.

Für Sammler und Wertstabilität sind daher vor allem die Qualität der verwendeten Materialien sowie die Präzision des dazugehörigen Kunsthandwerks ausschlaggebend. Letzteres geht, wie jede Kunstrichtung, mit klangvollen Namen einher, die ein Sammlerherz höherschlagen lassen. Das bedeutet aber auch, dass sich ein Sammler mit Investitionsgedanken entweder selbst herausragend mit der Materie auskennen muss oder auf das Wissen von anderen angewiesen ist. Dieses Wissen umfasst nicht nur die Namen von Graveuren wie Philippe Grifnée oder Ken C. Hunt, sondern auch die Einordnung in den geschichtlichen Kontext und die Herkunftshistorie eines Stückes. Provenienzforschung ist demnach ein Hauptbestandteil für das sinnvolle Investieren in eine Jagdwaffe, sollte es sich bereits um eine Antiquität handeln.

Kunstvoll verzierte Schaftkappe einer Blaser.

Neben Investition und Jagdvergnügen macht die Faszination Waffe doch noch etwas ganz Anderes aus. Sie bringt uns auf ungewöhnliche Art und Weise unseren Ursprüngen näher und drückt eine Beständigkeit aus. Es wäre unsinnig, zu leugnen, dass der falsche Umgang mit Waffen die vermutlich destruktivsten Effekte in unserer Gesellschaft voranbringt. Gleichzeitig wäre es ebenfalls unsinnig zu leugnen, dass uns die Entwicklung der Schusswaffen als Menschen auf zivilisatorischer Ebene maßgeblich geprägt hat. Noch bevor wir Kriege mit Waffen bestritten, lag der Geruch von Schießpulver in der Luft, um uns zu versorgen und tierisches Protein auf den Tisch zu bringen. Darum entwickelten sich Kultur und Brauchtum, die wir bis heute im Jagdtreiben wiederfinden. 

Exklusives Detail einer „Atelier 1751“ von J. P. Sauer.

Diese generationsübergreifende Weitergabe von Kultur kommt nicht zuletzt daher, dass bei Jagdwaffen der Gegenstand an sich mehrere Generationen der Benutzung überdauert. So bringt jede Waffe ihre ganz eigene Sammlung an Geschichten mit. Insbesondere die Geschichten werden durch mündliche oder schriftliche Überlieferung verdichtet und bilden so eine lebendige Tradition. 

Eine kunstvoll verzierte S 404 Mammut von J. P. Sauer.

Diesen Traditionsgedanken hat sich der Waffenhersteller Sauer als Motto ausgesucht. Die konkrete Vision nennt sich „Gewehre für Generationen“ und bringt damit klar zum Ausdruck, dass hier Investitionen für die Zukunft getroffen werden. Was daran auffällt, ist, dass wir dieses Denken bisher fast nur aus der Schweizer Uhrenindustrie kennen. Ein Vergleich, der sich nicht zuletzt wegen der Feinmechanik beider Dinge gern ziehen lässt. „Eine hochwertige Waffe ist immer auch eine Investition in die Werthaltigkeit. Der Unterschied zu einer guten Uhr ist jedoch, dass bei einer Waffe die Qualität ihrer Bauteile noch mehr darüber entscheidet, wie lang sie präzise benutzt werden kann. Regelmäßiges Schießen verlangt nämlich schwachem Material einiges ab und führt ultimativ dazu, dass schon bald ein neues Gewehr angeschafft werden muss“, kommentiert Johann-Philip Jencquel, Wildfleischunternehmer aus Hamburg, die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer hochwertigen und damit kostenintensiven Flinte. 

Ein Kunstwerk sowie eine mechanische Meisterleistung – die Bestandteile des Systems einer Waffe von Merkel werden immer sorgfältig per Hand zusammengesetzt.

Abschließend muss man sagen, dass die Diskussion von Jagdwaffen als Investition eine ist, die viel Fachwissen und die nötige Passion für die Thematik voraussetzt. In Waffen zu investieren, wie manch einer es in seltene Uhren tut, ist nicht empfehlenswert. Dafür ist der Markt zu speziell und die Marktzugangsschranken mit hohen Preisen sind gleichzeitig zu hoch. Für jeden, der allerdings in der Materie aufgeht und materielle Werte sucht, die sich mit seinem Hobby verknüpfen lassen, stellen Jagdwaffen ein riesiges Kollektionspotenzial dar. Dazu kommt ein ganz eigener Charme von jagdlichem Brauchtum in ganz Europa, das mit dieser Sammelleidenschaft einhergeht. 

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