Richtig gute Familien – was macht sie aus? Es ist die Geschlossenheit aller Mitglieder, ungeachtet ihrer Unterschiede. Ein Lehrstück dieses Prinzips bietet die Familie von Klaus Grohe. Sie hat sich sogar eine eigene Verfassung gegeben, um das Miteinander der Generationen und deren gemeinsame geschäftliche Belange zu regeln. Grohe – sind das nicht jene schwäbischen Tüftler, die mit demonstrativer Bescheidenheit aus einem Tal im Schwarzwald heraus die Armaturenschmiede Hansgrohe zum Milliardenunternehmen gemacht haben, das auf der ganzen Welt erfolgreich ist? Jawohl, das sind sie.
Als Abgesandte warten Philippe Grohe, ehemals Chef der Designmarke AXOR, und sein jüngerer Bruder Jan Nikolas Grohe vor der Aquademie in Schiltach, dem modern gestalteten Firmenmuseum mit angeschlossener Erlebniswelt für die aktuellen Produkte, und genehmigen sich ein Bad in der Sonne. Die Begrüßung ist herzlich. Alsbald vervollständigt Richard Grohe die Runde, der älteste Sohn von Patriarch Klaus Grohe.
Zum Warmwerden ein Rundgang durch die Ausstellung. Sie gibt nicht nur Einblick in die Entwicklung der bundesdeutschen Badezimmerkultur, sondern zeigt auch zahlreiche Erfindungen und Innovationen des Unternehmens, sei es die Handbrause mit Porzellangriff anno 1928 oder die Brausestange von 1953, die das Duschen im Stehen ermöglichte und die Hände befreite.
Die erste integrale Duschkabine präsentierte Hansgrohe 1975 und sechs Jahre später die erste Einarmmischbatterie mit Bügelgriff. Amüsiert weisen die Söhne auf die Ringbrause hin, die sich zum Duschen über den Kopf ziehen ließ, damit die Frisur trocken blieb.
Schließlich bleiben wir vor einem Foto stehen, das Vater Klaus in jungen Jahren zeigt – ein gutaussehender Typ, der unter dem Strahl seiner Handbrause halbnackt die Muskeln spielen lässt. Es war für die Story eines Wirtschaftsmagazins produziert worden. Menschen mögen rebellische Vorbilder und Sinn für Humor. Bei den Grohes paart sich das mit einem ausgeprägten Sinn fürs Geschäft, aber nicht um jeden Preis. So gehören Bodenständigkeit und Fleiß zu den Primärtugenden der Familie, Arroganz und Wohlstandsprotzerei sind verpönt. Untereinander pflegen die Brüder eine rege Diskussionskultur. Man ist temperamentvoll, fällt sich aber nicht ins Wort, sondern lässt den anderen ausreden, freilich nicht ohne zu gegebener Zeit einen Nachtrag oder eine launige Fußnote zu platzieren.
„Wir sind Unternehmer, und die erste Tugend eines Unternehmers ist Opportunismus.“ Richard Grohe
Später im Gespräch wird deutlich, welche Symbolkraft das Foto hat. Klaus Grohe, ein ehrgeiziger Langstreckenläufer, der in den 60er-Jahren Autos frisierte und Rallyes fuhr, macht sich bis heute nicht viel aus Konventionen. Visionär und dickköpfig zugleich, gilt er unter ehemaligen Mitarbeitern als geselliger Motivator, aber er ist auch nicht um deutliche Worte verlegen, wenn ihm was nicht passt.
Das Sagen hat bei Hansgrohe heute die US-amerikanische Masco Corporation. Sie hält mit 68 Prozent die Mehrheit. 32 Prozent liegen bei der Familie des 82-jährigen Klaus Grohe, Sohn von Firmengründer Hans Grohe. Die Kinder aus anderen Ehen des Gründers hatten frühzeitig ihre Anteile verkauft und so den Amerikanern 2002 zur Mehrheit verholfen. Aus der Sicht von Klaus Grohe ein Fehler. Inzwischen hat der Stamm Klaus Grohe seinen Frieden damit gemacht.
Seit 2016 ist die Familie sogar bewusst nicht mehr im Vorstand vertreten, sondern nur noch im Aufsichtsrat – nicht aus Groll, sondern um das Unternehmen unabhängig von der Gründerfamilie in die Zukunft zu führen. Im eigenen Unternehmen zum Minderheitsgesellschafter zu werden, war ein zunächst schmerzhafter Prozess, aber die Familie lernte den strategischen Dialog mit Masco und die Wachstumsimpulse, die der Partner setzt, schnell zu schätzen. Unter dem Wahlspruch „Wo Werte wachsen, wächst auch das Kapital“ konzentrieren sich die Grohes heute schwungvoll auf die familieneigene Beteiligungsgesellschaft, in der die Anteile an Hansgrohe zusammen mit anderen Assets gebündelt sind. Dieses Family Office ist Mutter der 2017 gegründeten Syngroh Capital GmbH. Aus ihr heraus sollen nach und nach rund 100 Millionen Euro in neue Beteiligungen oder Unternehmenskäufe fließen. Ziel: Bis 2022 etwa 30 Prozent des Familienvermögens außerhalb von Hansgrohe anzulegen. Damit das klappt, ist die vierköpfige Bruderschaft der dritten Generation in der Pflicht, nämlich Richard, Philippe, Pierre Nicolas und Jan Nikolas Grohe, allesamt ebenso kluge wie temperamentvolle Köpfe mit operativer Erfahrung und Schiltacher Stallgeruch. 14 Kinder sitzen als vierte Generation schon in den Startlöchern. Sämtliche Ausschüttungen gehen in den gemeinsamen Topf. Dort sollen die Gelder gedeihlich thesaurieren.
Erster Schachzug war die Beteiligung an dem Hamburger Gebäude- und Filialtechnik-Dienstleister KMLS. Ziel sei es, über solche Direktbeteiligungen den eigenen unternehmerischen Erfahrungsschatz aktiv einzubringen, erklären die Brüder. Spezielle Branchenpräferenzen gäbe es keine: „Wir sind Unternehmer, und die erste Tugend eines Unternehmers ist Opportunismus“, sagt Richard Grohe. „Man muss sich die Dinge ergebnisoffen anschauen“, so seine Überzeugung. Für ideal hält er die Kombination aus Unternehmerinstinkt und solidem Analysehandwerk, für das die Familie auf ein Team von gestandenen M&A-Experten vertraut. „Wir wollen verhindern, dass irgendwelche persönlichen Kuschelecken entstehen, wo jeder versucht, sein Hobby zum Geschäft zu machen und man am Ende 25 Jahre braucht, um einen Break-evenzu erreichen.“ Es wird schnell klar, dass die Schwaben einen Fehler nicht machen: Leidenschaft mit Blauäugigkeit zu verwechseln. Freimütig räumen die Brüder ein, dass sie diesbezüglich bereits Lehrgeld bezahlt haben, nämlich in Form des Weinguts Domaine La Louvière im Languedoc-Roussillon, welches Vater Klaus gekauft hatte, um persönlich ein bisschen Fuß zu fassen in Frankreich. „Schon zweieinhalb Söhne haben hier in der Vergangenheit viel Energie reingesteckt“, frotzelt Philippe Grohe. „Anfangs wollten die französischen Kunden unseren Roten nicht mal geschenkt haben. Die Ernte wurde über die Kooperative verkauft und es war eher ein Unfall, wenn er in der Flasche gelandet ist“, so Philippe.Aber am Ende sei alles gut gegangen. „In der Zwischenzeit haben sich die Qualität und damit auch die Ertragslage deutlich verbessert“, sagt Richard. In der Hauptsache wohl dank der Unterstützung eines ebenso passionierten wie erfahrenen australischen Önologen. „Wenn wir da heute hinkommen, lebt das Gut“, freut sich Jan Nikolas Grohe. „Wir produzieren köstliche Bioweine und Crémants. Und immer steht ein Kochtopf auf dem Herd, in dem was Leckeres brodelt“, lacht er.
In dieser Erfahrung spiegelt sich eine wichtige Erkenntnis: Die Idee des Chefs muss nicht unbedingt die Beste sein, nur weil er der Chef ist. Loslassen und anderen vertrauen können, gehöre zu den wesentlichen unternehmerischen Werten der Familie. „Wir glauben an Teams, wir glauben an die Energie einzelner Leistungsträger und wir glauben an flache Hierarchien“, bekennt Richard Grohe. „Mir ist eine breitere Führungsebene lieber als eine straff gestaffelte Hierarchie.“ Nur so stelle man sicher, dass die Leute miteinander reden, weil sie sich ja untereinander koordinieren müssen. Hierarchielose Räume zu etablieren, entfessele eine große kreative Energie. Davon ist Richard überzeugt. Misserfolge entsprängen oft einem Mangel an Fantasie und Vorstellungsvermögen, sagt er. Philippe pflichtet ihm bei: „Das gilt insbesondere auch für Designer. Man sollte die Leute dafür bezahlen, dass sie frei heraus ihre Meinung sagen und nicht dafür, dass sie machen, was der Auftraggeber verlangt. Nur dann entsteht echte Innovation.“ Natürlich sei das in den verschiedenen Ländern immer auch anders mit ihren kulturellen Unterschieden. Beim Aufbau von Hansgrohe in Frankreich etwa hätten sich die wenigen Mitarbeiter, die Philippe dort beschäftigte, partout geweigert, ihn nicht Patron zu nennen. „Bis die akzeptiert haben, dass ich nicht in einem separaten Büro arbeite, dauerte das“, erinnert er sich. „Doch was haben wir die Effizienz gehoben, weil wir alle in einem Raum saßen – hier die Buchhalterin, dort die Mitarbeiterin für den Innendienst, dazwischen der Marketingmann und mittendrin der Chef“, schwärmt Philippe Grohe.
„Mir ist eine größere Führungsspanne lieber als eine straff gestaffelte Hierarchie.“ Richard Grohe
Diese Art von Pioniergeist am Leben zu erhalten, sei ein wichtiger Punkt im Wertekanon der Familie. Er werde ergänzt durch den sogenannten X-Faktor, der insbesondere bei der Prüfung und Umsetzung einer Direktbeteiligung eine zentrale Rolle spiele. „Der Unternehmer ist die wichtigste Person“, davon ist Richard Grohe überzeugt. Man solle nicht einfach sagen: Ich nehme den Unternehmer da jetzt raus, er kriegt Geld von mir und vielleicht noch eine Rückbeteiligung, damit er dableibt und noch fünf Jahre weitermacht. „Wir sehen das anders. Die Menschen, die das Unternehmen aufgebaut haben, wollen wir so lange wie möglich halten. Die kennen ihr Geschäft, wir im Zweifelsfall nicht.“
Im Fokus der Beteiligungen stehen mittelständische Firmen mit überzeugenden Produkt- und Dienstleistungsideen sowie einem Hauptsitz im deutschsprachigen Raum. Die Grohes versprechen Unterstützung von Veränderungs- und Internationalisierungsprozessen sowie bei Nachfolgelösungen. Im Gegensatz zu fondsgebundenen Private-Equity-Investments legen sie keinen Wert auf feste Investitions- und Halteperioden. Richard Grohe denkt nicht technisch, er glaubt an die Motivations- und Begeisterungsfähigkeit des Menschen. „Jeder sollte sich wohlfühlen können. Wenn wir in ein Unternehmen hineingehen, dann stimmen wir nicht nach der Anteilsmehrheit ab, sondern diskutieren im Gesellschafterkreis so lange, bis wir uns darüber einig sind, was der richtige Weg ist.“
Derjenige, der die Stimmrechte ziehe, um bestimmte Dinge durchzusetzen, habe eigentlich schon verloren, so Richard. Statt Standardlösungen schneidere man jeweils einen Maßanzug. „Für einen Unternehmer, der vielleicht Rat oder tatkräftige Unterstützung sucht, kann das anders aussehen, als bei jemandem, der keine Nachkommen hat oder vielleicht einen Teil seines Geldes über die Brandmauer bringen will“, erklärt Richard. Da man im Akquisitionsprozess deutlich mehr Geduld, Beziehungsarbeit und Tiefgang investiere, lägen die Transaktionskosten zwar höher, und es würde auch mehr Zeit kosten, aber am Ende habe man deutlich bessere Chancen für den Erfolg. Für die Syngroh Capital gehe es nicht um kurzfristige Profitabilität, sondern um langfristige Prosperität. Was bedeuten kann, dass man das Unternehmen, in welches man investiert hat, nicht nur aus der Gesellschafterperspektive betrachtet, sondern auch mal mit dem Vertriebsverantwortlichen gemeinsam zum Kunden fährt, oder sein Netzwerk einbringt zugunsten des neuen Partners. Auch bei anderen Themenfeldern wie dem Innovationsmanagement oder der Internationalisierung von Marketing und Vertrieb kann die erprobte Expertise der Schiltacher zum Tragen kommen.
Sich nicht zu schade zu sein – dieser Gedanke ist bewusst auch in der Familienverfassung verankert und Teil des Wertesystems, das den Nachkommen vermittelt wird. „Wir verstehen die Syngroh nicht als Versorgungsanstalt“, macht Richard klar. Der Einzelne sei aufgerufen, seine eigene finanzielle Unabhängigkeit zu fördern, sprich einen Beruf zu erlernen und daraus Einkommen zu erzielen. Gleichzeitig bietet das gemeinsame Vermögen für jeden einzelnen eine gewisse Möglichkeit, unternehmerische Erfahrungen zu sammeln. Nach dem Prinzip „früh übt sich“, kann das schon bei Eintritt in die Volljährigkeit beginnen. „Das kann so aussehen, dass wir den Jungen ein Darlehen geben, das sie dann verwalten müssen“, erklärt Richard. „Wenn sie eine definierte Mindestverzinsung erreichen, ist das wunderbar. Alles, was sie darüber hinaus erwirtschaften, dürfen sie behalten“.
„Wenn wir gemeinsam an dem großen Rad drehen, kommt schon einiges in Schwung.“ Richard Grohe
Hat der Nachwuchs eine eigene Geschäftsidee, muss er einen Businessplan vorlegen und eine Gesellschaft gründen, fügt Jan Nikolas hinzu. So lerne er, sich professionell zu organisieren. Grundsätzliche Einschränkungen, was die Branche oder Themenfelder betrifft, gibt es nicht, selbst wenn die Väter an der einen oder anderen Stelle auch schon mal die Stirn gerunzelt haben. „Im Vergleich zur vorigen Generation besteht ein größerer Freiheitsgrad“, konstatiert Philippe. „Die einzelnen Familienmitglieder können sich eher auswählen, was sie tun wollen, als das bei uns der Fall war.“ Philippe, der in jungen Jahren eine Ausbildung zum Fotografen absolviert hatte, folgte ab einem gewissen Punkt der Familiendisziplin und übernahm wie die Brüder verschiedene Aufgaben im Management des Familienunternehmens – mit einer Spezialisierung auf Design und Marke. „Mir hat die Fotografenausbildung nicht geschadet“, sagt er. „Ich habe darüber gelernt, auf Augenhöhe mit den für uns tätigen Designern zu sprechen.“ Am Ende gehe es bei allen Weichenstellungen um Gemeinsamkeit, Unabhängigkeit und Exzellenz, betonen die Brüder. „Das gemeinsame Vermögen soll uns und nachfolgende Generationen stärker verbinden, nicht trennen“, lautet die Prämisse. „Zuerst kommt die Unternehmung, dann die Familie und nachgelagert das Interesse des Individuums.“ So ist es in der Familienverfassung festgeschrieben.
Um das Miteinander und den Austausch lebendig zu halten, verpflichten sich alle Familienmitglieder zu gemeinsamen Aktivitäten. Mindestens einmal pro Jahr gibt es einen Workshop und auch ein Familienfest. Vollständige Anwesenheit gilt als Selbstverständlichkeit. Darüber hinaus schuf man einen Familienrat als Diskussions- und Entscheidungsplattform für Familienthemen. All diese Dinge gelten als wichtiger Klebstoff innerhalb der zunehmend polyglotten Sippschaft mit verschiedenen Staatsangehörigkeiten und Wohnorten in mehreren Ländern. „Wenn jeder an seinem eigenen kleinen Rad dreht“, sagt Richard, „bewegen wir nichts, aber wenn wir gemeinsam an einem großen Rad drehen, kommt schon einiges in Schwung.“ Natürlich diskutiere man intern immer wieder Fragen wie das Thema Grundrente für Familienmitglieder. „Ich glaube, das machen Familien vor allem dann, wenn man viele hat, die man ruhigstellen muss und der Unternehmergeist verloren gegangen ist“, sagt Richard und lacht. Davon sei man aber zum Glück weit entfernt.
VATER UND SÖHNE
Klaus Grohe
Geschäftsführer Syngroh Beteiligungsgesellschaft mbH, langjähriger Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender von Hansgrohe. Expertise: Innovation und Unternehmenskultur.
Richard Grohe
Geschäftsführer Syngroh Capital GmbH, ehemaliges Vorstandsmitglied von Hansgrohe. Expertise: Prozess- und Organisationsentwicklung.
Philippe Grohe
Ehemaliger Markenchef der Luxusdesignmarke AXOR und Vice President Design Management bei Hansgrohe. Expertise: Branding, Design.
Pierre Nicolas Grohe
Leitende Funktionen im Vertrieb, Marketing und der Produktentwicklung von Hansgrohe in den USA. Expertise: Internationalisierung, Marketing, Vertrieb.
Jan Nikolas Grohe
Geschäftsführer Syngroh Beteiligungsgesellschaft mbH, Vermögensmanagement der Beteiligungsgesellschaft und Verwaltungsratsmitglied der Private Client Bank in Zürich. Expertise: Banking und Finanzen.
TEXT//THOMAS GARMS
AUFMACHERFOTO//FELIX GROTELOH
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