Lange, ruhige Wellen ziehen hinüber an den Strand. Sie tragen Glanzlichter, golden und orange schimmernd. Es ist früher Abend, wir sind vor einer halben Stunde aus dem Hafen von Rio de Janeiro ausgelaufen, haben die Ilha de Cotunduba passiert und fiebern dem großen Moment entgegen, wenn sich der Zuckerhut ins Bild schiebt und später in der Ferne die Copacabana mit den funkelnden Art Deco Häusern am berühmtesten Stand der Welt. 

Der Zuckerhut von der Wasserseite aus.

Wir stehen am Bug, auf der Steuerbord-Seite der Seabourn Venture, das erste speziell für Expeditionskreuzfahrten konzipierte Schiff der Reederei, kompakt, luxuriös, das uns auf einer 12tägigen Fahrt bis in den Amazonas und nach Manaus bringen wird.

Graffiti am Kreuzfahrt-Terminal Pier Mauá in Rio de Janeiro (Foto: John Shedwick)

Hinter uns befindet sich die sogenannte Bow Lounge, ein wunderbarer Ort, perfekt eingerichtet für Beobachtungsfahrten. Hier stehen unter den Frontfenstern Monitore mit Seekarten, Bordkameras und Navigationsdaten zur Verfügung, live wie auf der Brücke. Auch Wind- und Wellenvorhersagen lassen sich hier abrufen. Draußen, ganz vorn, gibt es sogar einen Bugspriet, von welchem aus man beim Blick nach unten beobachten kann wie der Bugwulst durchs Wasser gleitet. Dieser Ort, dieses Deck, wird in den nächsten Tagen gerade in den frühen Morgenstunden der Treffpunkt sein all jener Frühaufsteher, die Sonnenaufgänge und Seevögel lieben und Hoffnung haben, vielleicht auch mal einer Schule von Delfinen zu begegnen.

Schlafbereich der Signature Suite auf der Seabourn Venture.

Wir halten das Fernglas fester, der steilwandige, fast außerirdisch anzusehende Pão de Açúcar kommt näher, jener an der Spitze abgerundete Kegel aus schalenartig abgewittertem, grobem gneisartigen Granit, eines der Wahrzeichen von Rio, das die Millionen von Reisenden üblicherweise nur von der Landseite aus bestaunen. Wir haben nunmehr das Privileg, den Zuckerhut von der Wasserseite kennenlernen zu dürfen. 

Auditorium bzw. Theater im Schiff. Hier finden die Morgenbriefings statt und die Vorträge der wissenschaftlichen Experten.

Langsam wird es dunkler, Zeit, um ins Innere des wie ein Boutique-Hotel gestalteten 264-Passagiere-Schiffs zu flanieren zum Dinner. Wir entscheiden uns für das elegante Hauptrestaurant mit dem simplen Namen „The Restaurant“ mit Bedienung am Platz. Optischer Höhepunkt ist hier der gewaltige gläserne Weinschrank, gut bestückt mit ausgezeichneten Gewächsen aus der ganzen Welt. Die Küchencrew legt sich mächtig ins Zeug – das wunderbar zarte Lamm-Carreé zergeht quasi auf der Zunge.

Die überaus charmante Barkeeperin Taninha da Silva aus Brasilien.

Wach werden wir am ersten Etappenziel, dem Badeort Bùzios, östlich von Rio. Die See liegt schimmernd in der Morgensonne, gefrühstückt wird unter freiem Himmel in „The Patio“ am Heck auf Deck, Außenbereich für das Buffet-Restaurant „The Colonnade“ und zugleich Pooldeck mit Infinity-Pool und der Patio Bar, wo für Übermütige bereits erste Champagner-Gläser gefüllt werden. Unterdessen sind bereits einige der bordeigenen Zodiaks zu Wasser gelassen worden, große, stark motorisierte Schlauchboote, die über eine beruhigende Stabilität verfügen.

Die robusten Zodiaks dienen je nach Bedarf als Shuttle- oder Ausflugsboote.

Die schwarzen Zodiaks sind aus robustem synthetischem Kautschuk gefertigt, der selbst rauen Kiesstränden und scharfkantigem Eis standhält. Das macht sie ideal für Expeditions-Kreuzfahrten, insbesondere auch in Polar-Regionen. Wenn keine andere Möglichkeit vorhanden ist, werden die Zodiaks auch als Shuttleboote genutzt für Ausflüge an Land.

Brasilianische Lebensfreude im Straßencafé in Buzios.

In Bùzios können mit lokalen Ausflugsbooten weite Sandstrände und pittoreske Buchten erkundet werden, die bestens zum Baden und Tauchen geeignet sind. Auch Wasserschildkröten geben hier ihr Stelldichein. Das Treiben an der Promenade mit ein paar Modegeschäften und gemütlichen Cafés zeigt die gemächliche und fröhlich unbekümmerte Seite von Brasilien. Wir freunden uns an mit Martha, eine junge Studentin mit dunklem Lockenkopf und strahlenden Augen, die im Madame Toffi Café köstlichen Milchkaffee für uns zaubert. 

Wunderschöne Seevögel begleiten unseren Weg nach Norden (Foto: John Shedwick).

Am nächsten Tag lernen wir auf dem Schiff Sebastian vom 26-köpfigen Expedition-Team kennen. Seb, wie ihn seine Freunde nennen, ist ausgebildeter Hubschrauberpilot, war viele Jahre für die amerikanischen Navi tätig, auch in Spezialoperationen der sogenannten Joint Interagency Task Force South. Deren Aufgabe: Kampf gegen die südamerikanischen Narcos, die mit selbst gefertigten Unterwasserbooten von Kolumbien durch das Amazonas-Gebiet über den Atlantik bis nach Spanien riesige Mengen von Drogen schmuggelten. 

Die Seabourn Venture in der Buch vor Buzios (Foto: John Shedwick).

Jetzt steht Seb als Pilot bereit für die beiden nagelneuen U-Boote vom Typ Cruise Sub 7 des niederländischen Herstellers U-Boat Worx. Stolz führt er uns zu den jeweils fünf Millionen Dollar teuren Hightech-Geräten. Diese liegen gut verzurrt in ihrem Hangar auf Deck Drei. Jeweils sechs Passagiere plus Pilot finden in den rund zehn Tonnen schweren Booten Platz.

High-Tech: Klimatisiertes U-Boot auf der Venture.

Das klimatisierte U-Boot hat zwei Rücken an Rücken liegende Acrylkugeln, wobei drei Passagiere nach vorne und drei nach hinten schauen. Die Sitze sind auf drehbaren Plattformen montiert, sodass sich jeder Gast neu positionieren kann, um die gleiche Aussicht auf die Unterwasserwelt zu genießen. Insgesamt acht Triebwerke gibt es: vier reguläre Triebwerke, zwei dedizierte horizontale Triebwerke und zwei dedizierte vertikale Triebwerke verleihen dem Sub 7 nicht nur maximale Agilität, sondern auch die Leistung, um durch starke Strömungen zu navigieren. Leider, so gesteht uns Seb, kämen die U-Boote auf der Brasilientour nicht zum Einsatz. Das Wasser im Amazonas sei einfach viel zu trüb, um unten irgend etwas zu sehen. Ein weiteres Hindernis seien die in dem Strom treibenden Sedimente. Insofern kämen die U-Boote vor allem während der längeren Arktis- oder Antarktis-Kreuzfahrten zum Einsatz.

Eine Schule von Delfinen begleitet das Schiff (Foto: John Shedwick).

Besonders schön sind die folgenden Seetage. Man kann den Vorträgen der Historiker, Biologen und Vogelkundler lauschen, Wäsche waschen in der kostenlosen Guest Laundry mit mehreren Waschmaschinen, Trockner und Bügeleisen, sich am Nachmittag in der Constellation Lounge einfinden zum traditionellen British Afternoon-Tea, mit anderen Gästen plaudern oder einfach nur meditative Stunden verbringen auf einem der Decks. 

Auch auf einem Explorer gehört elegante Kleidung zum Gepäck.

Diese Stunden draußen erweisen sich als besonders kostbar. Die See ruhig, das Licht mild, kein Land in Sicht, nichts, was einem den Blick verstellt. Keine Masten, Windräder, Häuser, Betonschluchten, Verkehrssignale, einfach nur: Weite und Unendlichkeit. Die ganze Welt ein Himmel und das Meer. Der Atlantik wird zum Kraftort, wo man frei atmen kann, wo Wunden heilen. In solchen Stunden reinigen sich die Sinne, entsteht Platz für das Neue. Die salzhaltige Luft an der See bekommen unserer Seele, unserer Lunge und unseren Bronchien gleichermaßen gut. 

Die Wintergarten-Suite von außen zeigt den Maisonette-Charakter dieser eleganten Unterkunft.

Nach Stopps in Recife, Natal und der feierlich zelebrierten Äquator-Überquerung nähern wir uns schließlich der Amazonas-Mündung und damit dem Höhepunkt der Reise. Schon hunderte Meilen vorher kündet die sich verändernde Farbe im Atlantik das Ziel an. Erlebten wir in den Tagen zuvor eine ungewöhnlich blaue See, wird das Wasser stetig brauner und grüner. Plötzlich tauchen vermehrt Delfine auf, die Vögel werden zahlreicher. 

Luftaufnahme der Seabourn Venture im Amazonas: Das Wasser ist von den Sedimenten der Planzen braungrün eingefärbt (Foto: Yuri Pinheiro).

Es geht alles ganz langsam, nahezu unmerklich, was Anfangs riesig wie ein See war, bekommt nach und nach Konturen, irgendwann tauchen an den fernen Ufern des wasserreichsten Flusses der Erde die Baumlinien des tropischen Regenwalds auf, man erkennt hölzerne Behausungen auf Stelzen, von Ferne winkt ein Mann. Hier und da knattert ein schmales Boot heran, versucht für ein paar Meter des Weges mitzuhalten mit unserem Schiff. Vierundzwanzig Stunden später unterscheidet sich die Kulisse nur in Nuancen. Da wir unterwegs sind während der Regenzeit, verdrängen immer mal wieder dunkle Wolken das Blau am Himmel und ein sanfter warmer Schauer prasselt auf uns herunter. Später trocknen Bootsleute in weißen Overalls mit breiten Wasserschiebern den Boden. Die erfahrenen Gäste tragen leichte Regenjacken und verharren auch dann an der Reling, wenn es schüttet. Später lässt sich die nasse Schutzkleidung problemlos trocknen in den geheizten Spezialschänken, die in jeder Suite zur Verfügung stehen.

Ein traditionelles Amazonas-Holzschiff holt die Passagiere der Seabourn ab für den Landgang.

Wir erreichen Santarém, auf halbem Weg zwischen Belém und Manaus im Herzen des brasilianischen Amazonasgebiets, mit rund 300.000 Einwohnern und Regionalflughafen eine unerwartet große, freilich beschaulich gebliebene Stadt. Die Seabourn Venture geht vor Anker und die Gäste strömen aus zu einer Vielzahl von Aktivitäten. Eine Kajakgruppe geht in Ufernähe in kleinen Nebenarmen auf Erkundungstour, eine andere Gruppe besucht auf einem hölzernen Flußschiff den Nebenfluß Rio Tapajós und übt sich im Piranhafischen. Es regnet in Strömen, was aber der Stimmung keinen Abbruch tut. Vier Fische werden gefangen und dann kurzerhand an Bord gegrillt. Das Fleisch ist aromatisch, mit ziemlich vielen Gräten.

Ein im Amazonas frisch gefangener Pirhana mit den typischen spitzen Zähnen.

Erste Wehmut macht sich breit, denn nach einem kurzen Stopp in dem gastfreundlichen Dorf Parintins mit seinen Siedlerläden, wo man neben Dieselgeneratoren, Bootschrauben und Ledersätteln auch Damenbinden, Naturmedikamente und Strohhüte erstehen kann, wartet das Ende der Brasilienkreuzfahrt in Manaus. Noch ein kurzer Besuch im legendären farbenprächtigen Opernhaus mit seinen vielen Säulen, ein kühles Kokosnusswasser in der Markthalle, und schon sind wir am Flughafen. Auf nach São Paulo.

INFOS

Die 170 Meter lange Seabourn Venture und das Schwesterschiff Seabourn Pursuit sind ultraluxuriöse, speziell angefertigte Expeditionsschiffe mit jeweils 132 Suiten. Sie wurden gemäß den Standards der Polarklasse PC6 konzipiert und sind perfekt geeignet für abgelegene Reiseziele. Zu den besonderen Highlights zählen zwei U-Boote sowie eine eine gut 400.000 Dollar teure GSS-Cineflex-Kamera für formatfüllende Tierbeobachtungen aus bis zu rund acht Kilometern Entfernung. www.seabourn.com 

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