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Ein Stück vom Kuchen

1. Februar 2025 Editorial Department4 Min. Lesezeit

Bei Ferienhäusern gibt es das schon lange. „A Fraction of the Action“ nannten pfiffige Makler das Modell. Man erwirbt nur einen Anteil an einem Urlaubsdomizil und darf es den entsprechenden Zeitraum nutzen. Wer also ohnehin nur ein paar Wochen im Jahr in sein geliebtes Strandhaus kann, zahlt dafür auch nur einen Bruchteil des Immobilienwerts. Der Rest wird auf andere Nutzer entsprechend verteilt. Die Eigentumsanteile an Grundstücken, Immobilien, Privatflugzeugen und Yachten an mehrere zu verkaufen, ist seit Jahrzehnten möglich. Aber ein Picasso für alle oder viele? 

Salvador Dalí, End, 1952

Zumindest auf dem Papier ermöglicht die sogenannte Fractional Ownership auch Kleinanlegern, einen Fetzen Picasso zu besitzen. Die Chance, das kostbare Kunstwerk ins eigene Wohnzimmer zu hängen, erhalten Käufer von Kunstanteilen aber nicht. Allerdings gewährt das Investment auch Kleinanlegern den Einstieg in ein äußerst lukratives Kunstsegment: Spitzenwerke von Bluechip-Künstlern wie Picasso, Monet, Warhol, Banksy oder Yayoi Kusama kosten leicht sieben- bis achtstellige Summen, haben aber meist die höchsten Renditechancen. 

Pablo Picasso, The Painter II, 1970.

Ein Trend ist das seit dem Ausbruch der Pandemie: Seitdem wir zwangsweise mit dem Computer in die Welt kommunizieren mussten, hat sich auch unser Begriff von Kunstbesitz über das Physische hinaus erweitert. Der Besitz und der Handel mit Bruchteilen von Kunstwerken und Sammlerstücken – etwa ein Zehntel von Magic Johnsons Turnschuhen, ein Hundertstel eines Warhols, ein Tausendstel eines Picassos – sind vor allem bei jungen Leuten beliebt. 

Früher war Kunst die ultimative Trophäe, etwas für die Superreichen, das sie bewundern und ausstellen konnten. Wer kleines Geld in Kunstanteile anlegt, ist nicht an exklusiven Galerie-Dinners interessiert. Er will schlicht Geld verdienen.

Das Geschäftsmodell des Kunstzerstückelns ist immer gleich, nur gibt es unterschiedliche Plattformen: Anleger erwerben ähnlich wie Aktien eines Unternehmens Anteile eines Kunstwerks. Das wird später gewinnbringend veräußert, woran Anleger und Anbieter verdienen.

In Kunst wie in Aktien zu investieren, ist seit Mitte der 1970er-Jahre Praxis. Als Leuchtturmbeispiel gilt bis heute der British Rail Pension Fund, der ab 1974 Kunst für 40 Millionen Pfund gekauft hatte und in der Boomphase Ende der 1980-Jahre vor allem mit Impressionisten eine Durchschnittsrendite von 11,3 Prozent erwirtschaftete. Doch der Fonds blieb ein One-Hit-Wonder. Zudem Kunst ein kleines Nischenprodukt auf dem internationalen Geldmarkt ist.

Miguel Covarrubias, Joven Balinesa, c.a. 1931.

Die ersten Anbieter von Fractional Art tauchten ab 2009 auf dem Markt auf, verschwanden aber ebenso schnell wieder. Erst als 2018 das New Yorker Unternehmen Masterworks als erste Plattform, die von der US-Börsenaufsicht SEC reguliert wird, ins Spiel kam, begannen Investoren dem Geschäftsmodell zu vertrauen. Masterworks bezeichnet sich selbst als Marktführer, die Firma hat heute mehr als 900.000 Anleger, von denen die meisten Anteile an Kunstwerken besitzen, ohne sie jemals in natura gesehen zu haben. Nach eigenen Angaben hat das New Yorker Start-Up inzwischen für fast eine Milliarde Dollar Kunstwerke aus den High-End-Markt erworben – und nur wenige wieder verkauft. Ins Portfolio kommt ausschließlich Kunst von Bluechip-Künstlern, nach Schätzungen der Winston Art Group erwarb Masterworks in den letzten Jahren unter anderem fünf Basquiats für insgesamt 61 Millionen US-Dollar und neun Gemälde von Kusama, die jeweils zwischen 1,9 Millionen und 4,8 Millionen US-Dollar auf dem Auktionsmarkt kosteten. Ein Anteil an einem dieser Werke sei bereits ab 20 US-Dollar möglich. Im Silicon Valley wurde das Unternehmen bereits als „Unicorn“, also mit mindestens einer Milliarde US-Dollar bewertet.

Marc Chagall, The Sleep of Love, 1956-57

Mit Selbstlob spart Masterwork nicht auf seiner Homepage: So hätten Miteigentümer eines Bildes des Streetart-Künstlers Banksy eine jährliche Nettorendite von 32 Prozent erzielt, wer rechtzeitig in die Werke von Cecily Brown investiert hätte, durfte sogar bis zu 77 Prozent Rendite kassieren. Natürlich birgt das auch Risiken und Kosten. Masterworks erhebt eine Gebühr von etwa 11 Prozent auf den Kaufpreis und bietet diese Werke dann wie Aktien an der Börse Investoren an. Das Unternehmen erhebt eine jährliche Verwaltungsgebühr von 1,5 Prozent und erhält 20 Prozent des Gewinns, der beim Verkauf der Werke erzielt wird. Die Kosten für Lagerung, Versicherung, Transport können steigen, Kunstwerke können beschädigt oder gestohlen werden. Und nicht zuletzt müssen Anleger ihren Gewinn versteuern, das kann, da die Firma in New York und damit im Ausland sitzt, eine komplexe Angelegenheit sein.

Seine Geschäftsstrategien behält Masterworks für sich, Flops oder Käufe von Kunstwerken, deren Wert gefallen ist, werden nicht bekannt gegeben. Auch tritt das Unternehmen häufig als Finanzier von Garantien für Auktionshäuser auf, was ihnen einen Preisnachlass auf die dortigen Kaufgebühren von rund 12 Prozent einbringt. Es ist unklar, ob und wie diese Einsparungen an die Investoren weitergegeben werden.

Trotzdem hat der Erfolg von Masterworks viele neue Anbieter von Fractional Art Ownership auf den Plan gerufen. 2022 ging die in Großbritannien ansässige und von der Financial Conduct Authority regulierte Plattform Mintus an den Start. Mintus hatte angekündigt, Gemälde im Wert von über 200 Millionen US-Dollar anzubieten. Das erste war ein Selbstporträt von Andy Warhol aus dem Jahr 1966.

In Deutschland setzen Anbieter wie das Start-up Finexity auf die Blockchain. Dabei werden die Besitzansprüche über ein Token, also eine Art digitales Zertifikat, abgebildet. Auch das junge Fintech Arttrade hat sich auf die Tokenisierung von Kunst spezialisiertDas konkrete Modell: Kunden erhalten eine Wallet, auf die Token transferiert werden, die den je­weiligen Anteil am Kunstwerk ­repräsentieren­. Die Werke hängen weiterhin in Museen, der „Schmück-Effekt“ eines Bildes über dem Ka­min fällt also weg. Der Ausgabeaufschlag liegt bei zwei Prozent, hinzu kommen noch einmal zwei Prozent für das jährliche Management. Die Gewinnbeteiligung liegt bei zehn Prozent. 

Trotzdem hat Arttrade noch ein zweites Standbein für sein Geschäft aufgebaut: Gemeinsam mit dem deutschen Kunst­händler Weng Fine Art bietet die Firma seit Juli 2023 einen „Kunst-ETF“ an, für den nur Blue-Chip-Kunst­werken, also Arbeiten namhafter Künstler gekauft werden. Besonders ist daran, dass Arttrade die Kunstwerke nicht in Zollfreilagern oder Tresoren hortet, sondern an Ausstellungen verleiht. Zudem veranstaltet das Unternehmen selbst Kunstschauen und Events. Ob sich das Investment für Anleger und Anbieter rechnet, wird sich aber erst zeigen.

Text: Gabi Czöppan

INFO

Diese Plattformen bieten Fractional Ownership of Art an (Auswahl):

Masterworks.com

2017 von Scott Lynn, Josh Goldstsein und Alberto Simon in New York gegründet.

Finexity.com

2018 von Paul-Maria Hülsmann und Henning Wagner in Hamburg gegründet.

Arttrade.io

2021 von Julian Kutzim und David Riemer in Düsseldorf gegründet.

Mintus.com

2022 von Tamer Ozmen in London gegründet.

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