Motor – materialist https://materialist.media A forward thinking source for Private Wealth and Personal Lifestyle. Tue, 13 Feb 2024 10:36:14 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.5 https://materialist.media/wp-content/uploads/2016/08/cropped-logoicon-Website-32x32.jpg Motor – materialist https://materialist.media 32 32 94844354 Donnerwetter in Asien https://materialist.media/donnerwetter-in-asien/ Tue, 13 Feb 2024 10:36:09 +0000 https://materialist.media/?p=5352 Das erste Donnerwetter passierte zum Glück einen Tag zu früh: Der Monsun schüttete seine nasse Fracht derart über dem 29 Grad warmen Stadtstaat Singapur aus, dass der berühmte „Gardens by the Bay“ nahezu ertrank – keine Chance für eine Generalprobe unter den künstlichen Sonnenkollektor-Bäumen und vor dem Architektur-Wunder Marina Bay Sands Hotel. Einen Tag später hatte sich das Wetter beruhigt ­– gut für das zweite Donnerwetter: die Weltpremiere neuen Porsche Macan. Die ist deshalb so besonders, weil zum ersten Mal ein Hersteller ein bestehendes Modell komplett auf Elektroantrieb umstellt und somit durchaus ein Wagnis eingeht. Denn der Macan war und ist bislang neben dem Cayenne die Cash-Cow der Stuttgarter. Mehr als 840.000 abgesetzte (Verbrenner)-Exemplare in zehn Jahren sprechen eine deutliche Sprache.

Zunächst werden nur zwei Top-Modelle zu haben sein: Der Macan 4 mit 408 PS und der Macan Turbo, der mit 639 PS kommt.

Den Ort hatte Porsche mit Bedacht gewählt: Singapur ist reich, digital, urban und nachhaltig ausgerichtet – auch wenn man kaum Ladesäulen und Elektroautos sieht. Porsche verkauft hier zwar weniger als 500 Autos pro Jahr, aber Singapur steht für die wachsende Asia-Region mit ihren 650 Millionen Menschen und für den Treffpunkt zwischen West und Ost.

Das Heck wirkt muskulös, unterbrochen vom 3D-Leuchtenband mit mittig platziertem Porsche-Schriftzug.

Und ein besonderes Auto bedingt nach Porsche-Meinung einen besonderen Ort für die Weltpremiere: „Wir haben den Anspruch, mit dem vollelektrischen Macan das sportlichste Modell in seinem Segment anzubieten“, sagt Jörg Kerner, Leiter Baureihe Macan (siehe Interview). Das wird zumindest ein Grund sein, warum zunächst nur zwei Top-Modelle zu haben sind: Der Macan 4 mit 408 PS mit 650 Nm maximalen Drehmoment, was den Sprint in 5,2 Sekunden auf 100 km/h und ein maximales Tempo von 220 km/h ermöglicht, und den Macan Turbo, der mit 639 PS und 1130 Nm kommt. Er sprintet in 3,3 Sekunden und schafft 260 km/h. Beide besitzen permanenterregte PSM-Elektromotoren der neuesten Generation und sind mit Allradantrieb ausgestattet. Das Porsche Traction Management (ePTM) regelt elektronisch rund fünf Mal schneller als ein konventionelles Allradsystem und kann binnen zehn Millisekunden auf Schlupf reagieren. Zudem hängt die Allradverteilung vom gewählten Fahrprogramm (Offroad, Normal, Sport und Sport+) ab. Das Porsche Torque Vectoring Plus (PTV Plus), eine elektronisch geregelte Quersperre an der Hinterachse, soll beim Macan Turbo zusätzlich zu Traktion, Fahrstabilität und Querdynamik beisteuern.

Unverkennbar Porsche: Das aufgeräumte Cockpit des neuen Macan.

Die Elektromotoren ziehen die benötigte Energie aus einer Lithium-Ionen-Batterie im Unterboden, von deren 100-kWh-Bruttokapazität bis zu 95 kWh aktiv genutzt werden. Der Macan steht auf der neu entwickelten Premium Platform Electric (PPE) mit 800-Volt-Architektur. Darauf wird ebenfalls der Audi Q6 e-tron aufgebaut. Schnellladen ist mit bis zu 270 kW möglich. Der Ladestand der Batterie kann an einer geeigneten Schnellladesäule innerhalb von zirka 21 Minuten von zehn auf 80 Prozent angehoben werden. An 400-Volt-Ladesäulen wird beim sogenannten Bank-Laden durch einen Hochvolt-Schalter im Akku die 800-Volt-Batterie in zwei Batterien mit je 400 Volt Nennspannung geteilt. Dies ermöglicht Laden mit einer Leistung von bis zu 135 kW. An haushaltsüblichen Wallboxen ist AC-Laden mit bis zu 11 kW möglich.

Schnellladen ist mit bis zu 270 kW möglich: Der Ladestand kann innerhalb von zirka 21 Minuten von zehn auf 80 Prozent angehoben werden.

Während der Fahrt kann über die E-Maschinen mit bis zu 240 kW Energie rekuperiert werden. Die kombinierte WLTP-Reichweite beträgt beim Macan 4 bis zu 613 Kilometer und beim Macan Turbo bis zu 591 Kilometer. Übrigens: Weitere Antriebsalternativen wie zu Beispiel ein rein hinterradgetriebenes Modell sollen folgen, auf der anderen Seite ist auch ein „Turbo S“ als absolute Top-Version denkbar. Karosserievarianten wird es dagegen nicht geben.

Macan-Modelle mit Luftfederung – Serie beim Turbo – sind mit der elektronischen Dämpferregelung Porsche Active Suspension Management (PASM) ausgerüstet. Neu dabei sind Dämpfer mit Zwei-Ventil-Technik. Dank des weiteren Dämpferkennfelds ergibt sich eine größere Bandbreite zwischen Komfort und Performance.

Zum ersten Mal verfügt der Macan über eine optionale Hinterachslenkung mit einem maximalen Einschlagwinkel von fünf Grad. Sie ermöglicht einerseits im Stadtverkehr und beim Rangieren einen kompakten Wendekreis von 11,1 Metern und andererseits bei höheren Tempi eine hohe Fahrstabilität.

Neu ist ein Head-up-Display mit Augmented-Reality-Technologie.

Natürlich ist der Macan im Vergleich zum Vorgänger gewachsen, beim Radstand um 86 Millimeter auf 2.893 Millimeter. Die Länge wuchs im Vergleich zum alten GTS um 58, die Höhe um 26 und die Breite um 11 Millimeter. Der Laderaum fasst bis zu 540 Liter, bei umgelegter Rücksitzlehne bis zu 1348 Liter. Vorne steht ein Frunk mit 84 Litern zur Verfügung – der, kleiner Gag, sich öffnet, wenn man mit dem Finger über die Front streicht. Insgesamt stehen 136 Liter mehr zur Verfügung als beim Verbrenner-Macan. Und schleppen kann der E-SUV auch – bis zu zwei Tonnen.

Optisch auffällig ist die Front mit den zweigeteilten Scheinwerfern: Die flache obere Lichteinheit beherbergt nur das Vier-Punkt-Tagfahrlicht, das Hauptscheinwerfer-Modul mit optionaler Matrix-LED-Technologie ist etwas tiefer im Bug positioniert. Das Heck wirkt muskulös, unterbrochen vom 3D-Leuchtenband mit mittig platziertem Porsche-Schriftzug.

Das Cockpit wird dominiert von einem flächigen Black Panel mit bis zu drei Bildschirmen.

Weil gute Aerodynamik die Reichweite erhöht, haben sich die Ingenieure viele Gedanken um den Luftwiderstandbeiwert gemacht und kamen auf ein Ergebnis von 0,25. Das macht den Macan zu einem der strömungsgünstigsten SUV. Dabei hilft Porsche Active Aerodynamics (PAA) mit aktiven und passiven Elementen wie adaptivem Heckspoiler (fährt bei 60 km/h automatisch aus, die zweite Stufe zündet bei 120 km/h, und dann gibt es noch drei technische Stufen, auf die der Fahrer keinen Einfluss hat), mit aktiven Kühlklappen an den vorderen Lufteinlässen und mit flexiblen Abdeckungen am verschlossenen Unterboden.

Natürlich ist auch das Interieur neu ­– aber nicht absichtlich spacig. Das Cockpit wird dominiert von einem flächigen Black Panel mit bis zu drei Bildschirmen, darunter ein freistehendes 12,6 Zoll großes Kombiinstrument im „Curved Design“ und ein 10,9-Zoll-Zentraldisplay. Erstmals steht auch dem Beifahrer optional ein eigener 10,9 Zoll großer Bildschirm zur Verfügung. Neu ist ein (ebenfalls optionales) Head-up-Display mit Augmented-Reality-Technologie. Virtuelle Elemente wie Navigationspfeile werden optisch in die reale Welt integriert. Das Bild erscheint für den Fahrer in einer Entfernung von zehn Metern und entspricht der Größe eines 87-Zoll-Displays.

Ab Mitte 2024 wird der E-SUV zu haben sein. Der Macan 4 kostet 84.100 Euro, der Turbo 114.600 Euro.

Übrigens: Das ehemalige SUV-Argument, man würde darin so schön hoch sitzen, zieht beim neuen Macan nicht. Porsche hat die Passagiere sportlicherweise so niedrig wie möglich platziert – Fahrer und Beifahrer sitzen modell- und ausstattungsabhängig bis zu 28 Millimeter, die Fondpassagiere bis zu 15 Millimeter tiefer als bisher.

Ab Mitte 2024 wird der E-SUV zu haben sein. Der Macan 4 kostet 84.100 Euro, der Turbo 114.600 Euro. Dafür gibt es tatsächlich ein fast rundum neues Auto – nur ein paar Schalter wie die zur Bedienung der elektrischen Fensterheber oder der Griff für die Klappe im Kofferraumboden stammen vom alten Macan, vom Cayenne Kleinteile wie die Kappen der Außenspiegel.

Dass Porsche das Auto als Kunstwerk sieht, beweist übrigens die Einbindung der Weltpremiere in die gleichzeitig stattfindende Singapore Art Week und in die Arbeit des New Yorker Architekts und Künstlers Marc Fornes. Der hat in enger Zusammenarbeit mit Porsche-Chefdesigner Michael Mauer ein sieben Meter hohes, 13 Meter langes und elf Meter breites Kunstwerk beigesteuert, das die beiden Macan bei der Weltpremiere überdachte. Fornes hatte das Neun-Tonnen-Bauwerk aus 6500 Aluminiumbauteilen geschaffen, wobei jedes einmalig in Größe, Form und Biegung ist. Sie wurden im Laser-Cut-Verfahren zugeschnitten – der Laser hatte dafür eine Schnitt-Gesamtdistanz von 26 Kilometer zurückgelegt. Etwa 200.000 Nieten halten die Bauteile zusammen, 30.000 davon wurden vor Ort gesetzt. Fornes dazu: „Der Zweck der Zusammenarbeit ist nicht, das Auto zu imitieren, sondern die Philosophie, die hinter dem Design steckt, in ein räumliches Erlebnis zu übertragen.“

Die Philosophie steht felsenfest – wie das große Kunstwerk: Auch das überstand die Donnerwetter unbeschadet.

Text Roland Löwisch

Weitere Infos hier

Technische Daten Porsche Macan 4

Motor: zwei E-Motoren

Leistung: 408 PS

Max. Drehmoment: 650 Nm

Antrieb: Allrad

Länge/Breite/Höhe: 4.784/1.938/1.622 mm

Radstand: 2893 mm

Ladevolumen: bis zu 1348 Liter

Anhängelast: 2000 Kilo

Sprint 0-100 km/h: 5,2 Sek.

Top-Speed: 220 km/h

Reichweite (WLTP kombiniert): 613 Kilometer

Preis: 84.100 Euro

Technische Daten Porsche Macan Turbo

Motor: zwei E-Motoren

Leistung: 639 PS

Max. Drehmoment: 1130 Nm

Antrieb: Allrad

Länge/Breite/Höhe: 4.784/1.938/1.622 mm

Radstand: 2893 mm

Ladevolumen: bis zu 1348 Liter

Anhängelast: 2000 Kilo

Sprint 0-100 km/h: 3,3 Sek.

Top-Speed: 260 km/h

Reichweite (WLTP kombiniert): 591 Kilometer

Preis: 114.600 Euro

DAS INTERVIEW

„MAN MUSS SEINE ANTRIEBSTECHNOLOGIE ERKENNEN“

Macan-Baureihenleiter Jörg Kerner und Porsche-Chefdesigner Michael Mauer über die Probleme, aus einem Verbrenner ein E-Auto zu machen, die Notwendigkeit des „kleinen“ elektrischen SUV und die möglichen Kunden

Wie schwer war es in Sachen Technik und Design, aus einem Verbrenner-Macan einen Elektro-Macan zu entwickeln?

Jörg Kerner: Unser Ziel war es, dass man die fahrdynamischen Vorteile der E-Mobilität jederzeit spüren muss. Das fängt an beim Package. Die Gewichtsverteilung zum Beispiel ist ein wichtiger Teil der Fahrdynamik. Zudem braucht die Batterie eine bestimmte Leistung und Energie, da gab es anfangs viel Konzeptarbeit. Am Ende haben wir so gut wie kein Bauteil vom Vorgänger übernommen, selbst das Logo auf der Fronthaube ist neu.

Aber Design hat ja nicht bei Null angefangen, oder?

Michael Mauer: Mit dem noch aktuellen Macan haben wir in Bezug auf die Proportionen ein wirklich tolles Auto, was die Proportionen angeht – der ist mehr als „nur noch ok“. Ein typischer Porsche, sogar ich als Designer bin heute noch, nach mehr als zehn Jahren, richtig happy. Bei Porsche verfolgen wir die Philosophie, dass der Nachfolger optisch etwas mit dem Vorgänger zu tun haben muss. In diesem Fall sollte man ihm aber die neue Antriebstechnologie klar ansehen.

Ist es schwerer, aus einem alten Modell ein neues zu machen oder vom blanken Papier anzufangen?

Mauer: Es ist anders. Entwickelt man ein neues Modell, muss man erstmal eine Produktidentität kreieren ­– die habe ich bei einem Vorgänger schon. Und damit Elemente, die die jeweilige Baureihe, in diesem Fall den Macan, definieren. Die Aufgabe ist es dann, diese weiterzuentwickeln. Die Herausforderung war, in dieser evolutionären Vorgehensweise den Macan als Macan erkennbar zu machen, aber eben auch deutlich werden zu lassen, dass er keinen Verbrennungsmotor mehr besitzt. Wie weit gehe ich da? Es gibt viele andere Hersteller, die solche Autos komplett anders machen. Das ist aber nicht unsere Philosophie. Es galt, den richtigen Mittelweg zu finden. So eine Herausforderung hatten wir vorher noch nicht, denn der Taycan als unser erstes vollelektrisches Auto war ein ganz neues Modell. Der Macan ist der erste Porsche, den wir aus einer bestehenden und vor allem weltweit etablierten Produktidentität heraus elektrifizieren.

Wie fanden Sie diesen Mittelweg?

Mauer: Mit Hilfe unsere klar definierten Design-Strategie und -Philosophie. Ein Porsche sieht immer aus wie ein Porsche, aber jedes Modell besitzt zusätzlich seine eigene Produktidentität. Der erste Schritt war also, im Team herauszuarbeiten, was über die Vorgängergeneration die sogenannte Produktidentität Macan definiert und abzugleichen, welches Element bei Porsche steht bereits die Elektromobilität visualisiert. Das sind ganz klar die Scheinwerfer. Im Taycan haben wir bewusst sehr flache Scheinwerfer geformt – für mich ist das eher ein Lufteinlass mit vier Elementen. Damit war klar: Das übernehmen wir. Im Prinzip.

Und wie erkennt man am Heck das Elektroauto?

Mauer: Aerodynamik spielt bei Elektro-Autos in Bezug auf die Reichweite eine noch größere Rolle als bei Verbrennern. Wir haben versucht, ein extrem aufgeräumtes Heck zu formen, was zu unserer Grundphilosophie passt. Der Spoiler ist integriert, die Dachlinie völlig sauber. Da ging es um Millimeter – nicht zu steil und nicht zu flach. Die entfallenen Endrohre einer Abgasanlage fallen natürlich auch auf.

Besitzt der neue Macan für Sie eine Schokoladenseite?

Mauer: Die Frage ist wie die nach dem Lieblingskind der Eltern…

…die manche durchaus beantworten…

Mauer: …aber wir Designer erleben immer mal wieder einen Wow-Effekt beim Betrachten von diversen Seiten. Grundsätzlich ist für mich die Schokoladenseite eines Porsche eigentlich immer schräg von hinten.

Innen gibt es trotz aller Modernität noch klassische Drehknöpfe und Schalter. Warum?

Mauer: Auch das basiert auf unserer Designphilosophie. Der Fokus des Interieurs liegt klar auf dem Fahrer, der bei Porsche nach wie vor wichtig ist. Der Mix aus Touchscreens und klassischen Schaltern spielt aus ergonomischen Gesichtspunkten eine Rolle, der Mensch ist nun mal multisensorisch. Außerdem erzeugt es eine gewisse Spannung.

Und die Mittelkonsole, die wegen fehlendem Kardantunnel bei E-Autos ja eigentlich nicht mehr nötig ist?

Mauer: Sie erlaubt, mehr Stauraum anzubieten. Für mich ist das fast schon der dritte Kofferraum. Bei anderen Marken mag maximales Raumgefühl wichtig sein – wir wollen aber vor allem für das Gefühl sorgen, in einem Sportwagen und nicht auf einem E-Auto zu sitzen.

Wer will oder wollte eigentlich einen vollelektrischen Macan? Die Kunden?

Kerner: Porsche hat eine klare Strategie, wo wir hinwollen – natürlich auch in Sachen Nachhaltigkeit und CO2-Ziele. Da ist es wichtig, dass auch ein Volumenmodell vollelektrisch angetrieben wird. Unsere Aufgabe war es, den neuen Macan so attraktiv zu machen, dass die Strategie aufgeht und sie vom Kunden unterstützt wird. Weil er den Verbrenner gar nicht mehr vermisst.

Wer wird Kunde sein?

Kerner: Wir glauben, dass wir mehr jüngere Kunden gewinnen können. Und noch mehr Frauen, obwohl deren Anteil beim Macan bisher schon recht hoch ist. Natürlich wollen wir auch die Bestandskunden überzeugen. Das wird klappen, weil der Macan in seinem Segment sehr attraktiv und sportlich ist. Wir haben das Modell in vielerlei Hinsicht auf ein neues Niveau gehoben. Zusätzlich haben wir es geschafft, Eigenschaften zu verbessern, für die der Macan gelegentlich kritisiert wurde. Hinten gibt es mehr Beinfreiheit, vorne ein hochmodernes Infotainment. Die Bandbreite zwischen Komfort und Sportlichkeit ist nun noch größer, das Auto macht einfach Spaß – es ist nochmal deutlich dynamischer als der Vorgänger.

Was überrascht noch am neuen Macan?

Kerner: Zum Beispiel, dass wir schon für dieses Segment der kompakteren SUVs ein sehr breites Angebot an Komfort- und Fahrdynamikfeatures bereithalten wie zum Beispiel das optionale Head-Up-Display mit Augmented Reality oder das Beifahrer-Display, natürlich auch die optionale Hinterachslenkung.

Mauer: Aus meiner Sicht sind es Farben und Materialien. Einiges neu dazu kommen, was man bisher nicht unbedingt mit der Marke Porsche verbindet.

„Man muss seine Antriebstechnologie erkennen“

Macan-Baureihenleiter Jörg Kerner und Porsche-Chefdesigner Michael Mauer über die Probleme, aus einem Verbrenner ein E-Auto zu machen, die Notwendigkeit des „kleinen“ elektrischen SUV und die möglichen Kunden.

Wie schwer war es in Sachen Technik und Design, aus einem Verbrenner-Macan einen Elektro-Macan zu entwickeln?

Jörg Kerner: Unser Ziel war es, dass man die fahrdynamischen Vorteile der E-Mobilität jederzeit spüren muss. Das fängt an beim Package. Die Gewichtsverteilung zum Beispiel ist ein wichtiger Teil der Fahrdynamik. Zudem braucht die Batterie eine bestimmte Leistung und Energie, da gab es anfangs viel Konzeptarbeit. Am Ende haben wir so gut wie kein Bauteil vom Vorgänger übernommen, selbst das Logo auf der Fronthaube ist neu.

Aber Design hat ja nicht bei Null angefangen, oder?

Mit dem noch aktuellen Macan haben wir in Bezug auf die Proportionen ein wirklich tolles Auto, was die Proportionen angeht – der ist mehr als „nur noch ok“. Ein typischer Porsche, sogar ich als Designer bin heute noch, nach mehr als zehn Jahren, richtig happy. Bei Porsche verfolgen wir die Philosophie, dass der Nachfolger optisch etwas mit dem Vorgänger zu tun haben muss. In diesem Fall sollte man ihm aber die neue Antriebstechnologie klar ansehen.

Ist es schwerer, aus einem alten Modell ein neues zu machen oder vom blanken Papier anzufangen?

Es ist anders. Entwickelt man ein neues Modell, muss man erstmal eine Produktidentität kreieren ­– die habe ich bei einem Vorgänger schon. Und damit Elemente, die die jeweilige Baureihe, in diesem Fall den Macan, definieren. Die Aufgabe ist es dann, diese weiterzuentwickeln. Die Herausforderung war, in dieser evolutionären Vorgehensweise den Macan als Macan erkennbar zu machen, aber eben auch deutlich werden zu lassen, dass er keinen Verbrennungsmotor mehr besitzt. Wie weit gehe ich da? Es gibt viele andere Hersteller, die solche Autos komplett anders machen. Das ist aber nicht unsere Philosophie. Es galt, den richtigen Mittelweg zu finden. So eine Herausforderung hatten wir vorher noch nicht, denn der Taycan als unser erstes vollelektrisches Auto war ein ganz neues Modell. Der Macan ist der erste Porsche, den wir aus einer bestehenden und vor allem weltweit etablierten Produktidentität heraus elektrifizieren.

Wie fanden Sie diesen Mittelweg?

Mit Hilfe unsere klar definierten Design-Strategie und -Philosophie. Ein Porsche sieht immer aus wie ein Porsche, aber jedes Modell besitzt zusätzlich seine eigene Produktidentität. Der erste Schritt war also, im Team herauszuarbeiten, was über die Vorgängergeneration die sogenannte Produktidentität Macan definiert und abzugleichen, welches Element bei Porsche bereits die Elektromobilität visualisiert. Das sind ganz klar die Scheinwerfer. Im Taycan haben wir bewusst sehr flache Scheinwerfer geformt – für mich ist das eher ein Lufteinlass mit vier Elementen. Damit war klar: Das übernehmen wir. Im Prinzip.

Und wie erkennt man am Heck das Elektroauto?

Aerodynamik spielt bei Elektro-Autos in Bezug auf die Reichweite eine noch größere Rolle als bei Verbrennern. Wir haben versucht, ein extrem aufgeräumtes Heck zu formen, was zu unserer Grundphilosophie passt. Der Spoiler ist integriert, die Dachlinie völlig sauber. Da ging es um Millimeter – nicht zu steil und nicht zu flach. Die entfallenen Endrohre einer Abgasanlage fallen natürlich auch auf.

Besitzt der neue Macan für Sie eine Schokoladenseite?

Die Frage ist wie die nach dem Lieblingskind der Eltern…

…die manche durchaus beantworten…

…aber wir Designer erleben immer mal wieder einen Wow-Effekt beim Betrachten von diversen Seiten. Grundsätzlich ist für mich die Schokoladenseite eines Porsche eigentlich immer schräg von hinten.

Innen gibt es trotz aller Modernität noch klassische Drehknöpfe und Schalter. Warum?

Auch das basiert auf unserer Designphilosophie. Der Fokus des Interieurs liegt klar auf dem Fahrer, der bei Porsche nach wie vor wichtig ist. Der Mix aus Touchscreens und klassischen Schaltern spielt aus ergonomischen Gesichtspunkten eine Rolle, der Mensch ist nun mal multisensorisch. Außerdem erzeugt es eine gewisse Spannung.

Und die Mittelkonsole, die wegen fehlendem Kardantunnel bei E-Autos ja eigentlich nicht mehr nötig ist?

Sie erlaubt, mehr Stauraum anzubieten. Für mich ist das fast schon der dritte Kofferraum. Bei anderen Marken mag maximales Raumgefühl wichtig sein – wir wollen aber vor allem für das Gefühl sorgen, in einem Sportwagen und nicht auf einem E-Auto zu sitzen.

Wer will oder wollte eigentlich einen vollelektrischen Macan? Die Kunden?

Porsche hat eine klare Strategie, wo wir hinwollen – natürlich auch in Sachen Nachhaltigkeit und CO2-Ziele. Da ist es wichtig, dass auch ein Volumenmodell vollelektrisch angetrieben wird. Unsere Aufgabe war es, den neuen Macan so attraktiv zu machen, dass die Strategie aufgeht und sie vom Kunden unterstützt wird. Weil er den Verbrenner gar nicht mehr vermisst.

Wer wird Kunde sein?

Wir glauben, dass wir mehr jüngere Kunden gewinnen können. Und noch mehr Frauen, obwohl deren Anteil beim Macan bisher schon recht hoch ist. Natürlich wollen wir auch die Bestandskunden überzeugen. Das wird klappen, weil der Macan in seinem Segment sehr attraktiv und sportlich ist. Wir haben das Modell in vielerlei Hinsicht auf ein neues Niveau gehoben. Zusätzlich haben wir es geschafft, Eigenschaften zu verbessern, für die der Macan gelegentlich kritisiert wurde. Hinten gibt es mehr Beinfreiheit, vorne ein hochmodernes Infotainment. Die Bandbreite zwischen Komfort und Sportlichkeit ist nun noch größer, das Auto macht einfach Spaß – es ist nochmal deutlich dynamischer als der Vorgänger.

Was überrascht noch am neuen Macan?

Zum Beispiel, dass wir schon für dieses Segment der kompakteren SUVs ein sehr breites Angebot an Komfort- und fahrdynamik-Features bereithalten wie zum Beispiel das optionale Head-Up-Display mit Augmented Reality oder das Beifahrer-Display, natürlich auch die optionale Hinterachslenkung.

Mauer: Aus meiner Sicht sind es Farben und Materialien. Einiges neu dazu kommen, was man bisher nicht unbedingt mit der Marke Porsche verbindet.

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Gold des Nordens https://materialist.media/gold-des-nordens/ Sat, 04 Mar 2023 15:05:28 +0000 https://materialist.media/?p=4346 Nur 12 Exemplare gibt es von dieser automobilen Kostbarkeit: Sie ist vom Bernstein inspiriert, ein seit Jahrtausenden bekannten und insbesondere im Ostseeraum weit verbreiteten klaren bis undurchsichtigen gelben Schmuckstein aus fossilem Harz.

Der Rolls-Royce Ghost „Amber Roads“ mit seiner eleganten Silhouette.

Seit 3.500 Jahren wird der Stein entlang der Bernsteinstraßen gehandelt, die von der Ostsee bis zum Mittelmeer führten. Als magischer Ort für die Präsentation diente ein spektakuläres Anwesen nahe Kaltene, 120 Kilometer westlich von Riga, wo sich noch heute am Strand Bernsteinfragmente finden lassen.

Im Cockpit ist ein Stück Bernstein als zusätzlicher taktiler Hingucker in den zentralen Controller eingelassen.

Das prächtige Fahrzeug hat ein zweifarbiges Finish – Cornish White over Bronze. Es wirkt elegant und leicht, und besonders nobel durch die helle cremefarbene Lederpolsterung.

Beim Öffnen der Coach Doors werden die Passagiere von bernsteinfarben illuminierten Einstiegslichtern begrüßt.

Beim Öffnen der Coach Doors werden die Passagiere von Einstiegslichtern begrüßt, die von einem dezenten bernsteinfarbenen Glimmer durchzogen sind. Der Innenraum ist in Dark Spice oder Seashell mit Armagnac- und Mandarin-Akzentnähten ausgeführt.

Von dem streng limitierten Sondermodell wird es insgesamt nur zwölf Fahrzeuge geben.

Ein Stück polierter Bernstein ist als zusätzliche taktiler Hingucker in den zentralen Controller eingelassen. Selbstverständlich gibt es auch den markentypischen Starlight Dachhimmel. Dieser zeigt die historischen Bernstein-Handelsrouten, die Nord- und Südeuropa verbinden – dargestellt in weißen und bernsteinfarbenen „Glasfaser-Sternen“. Zudem sind die Bernsteinstraßen auch in der beleuchteten Instrumententafel kunstvoll dargestellt. 

Cockpit mit Bernstein.

Der Ghost „Amber Roads“ ist das Baby von Bespoke Designer Nicholas Rhodes.  „Bernstein ist ein bemerkenswertes Material“, erläutert er den Leitgedanken seines Entwurfs: „Im Gegensatz zu den meisten anderen Edelsteinen handelt es sich um ein Fossil, das eine greifbare Verbindung zum uralten Leben auf der Erde herstellt. Mit seinem minimalistischen Charakter bot Ghost die perfekte leere Leinwand, um dieses Gefühl von Zeitlosigkeit, Einfachheit und dauerhafter Schönheit zu inszenieren“, so Rhodes. 

Auch die markentypische Coachline, die per Hand als eine feine, dünne Lacklinie von Hand aufgetragen wird, ist bernsteinfarben.

Alle Fotos: Rolls-Royce Motors

https://www.rolls-roycemotorcars.com

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Immersive Sphäre https://materialist.media/immersive-sphaere/ Sun, 18 Dec 2022 13:22:58 +0000 https://materialist.media/?p=4167 Andrés Reisinger und sein digitales Art Piece für Audi auf der Design Miami.

Audi und der Digital-Künstler und Designer Andrés Reisinger haben auf der Design Miami das erste digitale Kunstwerk des Autoherstellers vorgestellt. Als Inspiration für das Kunstwerk dient die Studie Audi grandsphere concept. Nach der Milan Design Week in Mailand und zwei chinesischen Messen in Beijing und Shenzhen ist die Design Miami die vierte Design-Messe, auf der Audi im Jahr 2022 vertreten ist. 

Der Argentinier Andrés Reisinger gehört zu den gefragtesten Digitalkünstler des 21. Jahrhunderts.

Audi engagiert sich seit Jahren als Partner internationaler Design-Messen, seit 2022 auch wieder als exklusiver automobiler Partner und aktiver Aussteller auf der Design Miami. Die Ingolstädter Autobauer haben diese Messe in der Vergangenheit immer wieder zum Anlass genommen, mit Mobilität, Technologie und Design zu experimentieren, sich zur Zukunft des Designs zu äußern sowie mit eigenen Präsentationen zum kreativen Dialog beizutragen. 

Nach der Milan Design Week in Mailand und zwei chinesischen Messen in Beijing und Shenzhen ist die Design Miami die vierte Design-Messe, auf der Audi im Jahr 2022 vertreten war.

Als Inspiration für Reisigers Kunstwerk dient der Audi grandsphere concept, der auch in Miami ausgestellt wurde. Die Studie illustriert den Anspruch der Marke, progressive Premiummobilität der Zukunft zu definieren. Dazu gehört für Audi das Angebot neuer High-Class-Erlebnisse, ermöglicht durch die fortschreitende Digitalisierung des Innenraums: So verwandelt sich der Audi grandsphere concept vom reinen Automobil zu einem „Experience Device“.

Das Interieur der Luxuslimousine verwandelt sich in eine weiträumige Erlebnissphäre ohne Lenkrad, Pedalerie und Anzeigen.

Automatisiertes Fahren auf Level 4 soll dabei neue Dimensionen von Freiheit ermöglichen: So verwandelt sich in diesem Modus das Interieur der Luxuslimousine ohne Lenkrad, Pedalerie und Anzeigen in eine weiträumige Erlebnissphäre für die oder den Fahrenden.

Andrés Reisinger läßt eine immersive Erlebniswelt entstehen.

Deren Bedürfnisse und Wünsche gestalten den Raum, die Architektur und die Funktionen. Genau diese persönliche Sphäre abstrahiert Reisinger mit seinem Kunstwerk und übersetzt die immersive Erlebniswelt des Audi grandsphere concept in seine virtuelle Architektur- und Farbwelt.

Es entsteht ein surreal anmutender Raum, der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion überwindet.

Reisinger erschafft dabei einen surreal anmutenden Raum, der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion überwindet und die erweiterte Realität abbildet, welche in dem Konzeptauto die Reisenden umgibt.

Der Stand von Audi auf der Design Miami.

Andrés Reisinger (geb. 1990) gilt als einer der gefragtesten Digitalkünstler des 21. Jahrhunderts. Sein Zuhause ist das fruchtbare Grenzgebiet zwischen digitaler und physischer Welt, dem er seinen Stempel aufdrückt. Andrés Reisinger stammt aus Argentinien und lebt derzeit in Barcelona, wo sich auch sein Studio befindet. Mit seiner Ästhetik – auf den ersten Blick unverkennbar und von hypnotischer Kraft – entfaltet er eine klare Vision und schlägt Brücken zwischen unterschiedlichen Sphären. 

Als Inspiration für Reisigers Kunstwerk dient der Audi grandsphere concept.

Zu Reisingers bekanntesten Werken gehören The Shipping und Arcadia, die auf Auktionen seltene Spitzenpreise erzielten. Mit seinen Arbeiten hat Reisinger das Interesse zahlreicher internationaler Sammler, Unternehmen, Kunstgalerien und Museen auf sich gezogen und war mit Ausstellungen bereits in führenden Institutionen wie dem Moco Museum (Barcelona, Spanien), dem Palazzo Strozzi (Florenz, Italien), dem Designmuseum Gent (Gent, Belgien), der Nilufar Gallery (Mailand, Italien), dem Collectible Fair (Brüssel, Belgien), Faena Art (Miami, USA) und Christie’s (New York, USA) zu sehen.

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Nervenkitzel im Schnee https://materialist.media/nervenkitzel-im-schnee/ Mon, 21 Nov 2022 19:11:52 +0000 https://materialist.media/?p=4144 Die Pässe in den Dolomiten rauben einem den Atem. Insbesondere am Steuer eines Aston Martin DB11 im Feld der Winter-Rallye von Cortina d’Ampezzo.

Text Roland Löwisch

Es geht um Millionen. Zumindest gefühlt. Und zwar Millionen Kurven. Vielleicht sind es auch nur Hunderttausend, aber wir wollen mal nicht so kleinlich sein. Gezählt haben wir sie nicht, das hätte uns bei gut 400 Kilometer Passfahrten eindeutig überfordert. Zumal man nebenbei immer mal wieder über extra ausgelegte Schläuche fährt und dadurch Strafen einheimst, die in die Tausende gehen. Gefühlt jedenfalls – Strafpunkte.

535 PS im Aston Martin DB11? Man kann zwar nie genug Kraft haben, trotzdem hat man den rallyefahrenden Klassikern gegenüber stets im Vorteil. Besonders be Passfahrten

Anders ausgedrückt: Wer dem Grundsatz frönt, dass die beste Verbindung zwischen zwei Punkten eine Gerade ist, sollte nie beim WinteRace mit Ausgangspunkt in Cortina d’Ampezzo im Südtirol starten. Denn hier muss man sich der Diktatur der Serpentinen unterwerfen. Robuste Mägen helfen dabei immens.

Autor Roland Löwisch mit Beifahrer Scott im Aston Martin DB11

Seit neun Jahren laden Rossella Labate, Stefano Sangalli und ihr Team zum fröhlichen Kurbeln, immer im Winter (der sich in den Dolomiten deutlich länger hält als in anderen europäischen Regionen). Zwei Gruppen starten beim WinteRace: Zuerst die rund 40 „Historics“, Autos bis zum Baujahr 1976, danach eine geringere Zahl „Icons“ – besondere Modelle ab 1977. Dazu gehören solche Ikonen wie ein Ferrari 208 GTS, aber auch Raritäten wie ein Dallara Stradale sowie die Modelle des Neusponsors Aston Martin Verona, der eine Firma aus Stuttgart-Zuffenhausen abgelöst hat. Wir waren im reisefreundlichsten Modell der Briten unterwegs, im Aston Martin DB11.

Startaufstellung mit einer Reihe grandioser Klassiker.

Das bedeutet: Leder in schönster (Aus-)Prägung, wo man hinschaut, ein V8 mit 535 PS, die von Elektronik gebändigt werden können. Wie sehr sie eingreift, kann man per Knopfdruck befehlen – „GT“ sorgt für gemütliches Reisefeeling, „Sport“ ist nichts Halbes und nichts Ganzes, aber „Sport+“ macht den DB11 richtig scharf mit zurückgenommenem ESP. Wenn man dann – natürlich ebenfalls durch Knopfdruck – das Fahrwerk noch ein bisschen festigt, braucht der Beifahrer einen fliehkraftsicheren Magen.

Klar darf ein alter Porsche nicht fehlen: Die wahren Helden sind die Klassiker.

Aber die wahren Helden sind die Klassiker und ihre Piloten und Beifahrer:innen. Sorry für das Gendern, aber tatsächlich sitzen auffällig viele weibliche Autofans auf den Beifahrersitzen und lotsen ihre Göttergatten durch den Schlauchdschungel, den wir hier mal kurz erklären: Jedes Team erhält für die gesamte Rallye ein „Roadbook“, in dem auf den Meter genau beschrieben ist, wohin man fahren muss – hauptsächlich erklärt durch Streckenangaben und „Chinesenzeichen“ (gezeichnete Pfeile, die die Richtung anzeigen).

Der Beifahrer ist verantwortlich dafür, dass man in den Zeitwertungen nicht Letzter wird

Bei diversen „Sonderprüfungen“ gilt es, sekundengenau über Messschläuche zu fahren, was eine gute Kooperation von Fahrer und Ansager bedingt (und bei diversen ähnlichen Rallyes schon zu eklatanten Ehekrächen oder sogar Scheidungen geführt hat). Jedes zu frühe oder zu späte Berühren der Schläuche mit den Vorderrädern zieht Strafpunkte nach sich, das Nichteinhalten von Start- und Ankunftszeiten ebenfalls.

Nichts für Frostbeulen: Wer mit solch einem Auto startet, sollte die Fellmütze nicht vergessen.

Eigentlich ist also die Teilnahme an dieser Rallye grundsätzlich strafbar, was eine illustre, in diesem Fall meist italienische Klientel nicht davon abhält, ihre herrlich nach Benzin mit Bleizusatz riechenden Klassiker mutig über den Asphalt rund um Cortina d’Ampezzo zu scheuchen. Das ist aus vielen Gründen bemerkenswert: Zum Beispiel wie sie das tun mit so etwas wie einem Fiat 600, der von Haus aus gerade mal knapp 20 PS auf den Asphalt bringt. Wobei man bedenken muss, dass ein Verbrenner je 1.000 Höhenmeter rund zehn Prozent seiner Leistung verliert. So bleiben bei diesem historischen Kleinwagen auf dem höchsten Pass des WinteRace, dem Passo Giau mit 2.233 Metern, der am Schluss des ersten Tages zu nehmen ist, gerade mal rund 16 PS übrig. Wir haben da noch knapp 430 PS zur Verfügung – möge man uns verzeihen, dass wir damit ein paar der Oldies mehr als zügig überholen …

Ein Oldie genießt die schöne Aussicht.

Vorteil für die Teams in langsamen Autos: Sie haben mehr von der unglaublichen Aussicht. Der Passo Giau ist einer der eindrucksvollsten Dolomitenpässe, auf den 29 Serpentinen führen. Er befindet sich zwischen Cortina d’Ampezzo und Selva di Cadore. Der Pass bietet eine einzigartige Aussicht auf die schönsten Gipfel der Dolomiten wie den Nuvolau, den Averau, die Marmolata, die Tofane und den Cristallo. Bekannt ist er auch dank des Radrennens Giro d’Italia, insbesondere wegen des anstrengenden Aufstiegs vom Colle Santa Lucia aus. Filmfans erinnern sich an die Szenen im Film „Ladyhawke“, die hier mit Matthew Broderick und Michelle Pfeiffer gedreht wurden.

Selbstverständlich wird auch dieses Alfa Romeo Cabrio bei klirrender Kälte stilecht offen gefahren.

Aber auch schon vorher lohnt es, sich über diverse, kaum weniger beeindruckende Pässe wie Falzarego, Valles, Rolle und Cereda durch die Dolomiten zu winden. Da muss man sich schon verneigen vor den Teams in Vorkriegsautos wie OM 665 Superba von 1925 und in den beiden Aston Martin Le Mans der Baujahre 1933 und 1934, aber auch vor den Tapferen in den britischen Austin-Healeys 3000, denn alle diese Autos werden stilecht offen gefahren.

Schild am Scheitelpunkt des Passo Pordoi.

Weit oben herrschen bis zu minus 15 Grad – da kleben die Kenner die Kühler ihrer Lieblinge vollends mit Gaffer-Tape ab, damit den Autos nicht zu kalt wird (leider fährt diesmal kein früher Volvo Amazon mit – das schwedische Mobil verfügt über eine Jalousie vor dem Kühler, die über ein Kettchen vom Fahrersitz aus heruntergelassen werden kann). Zudem besitzen die meisten Teilnehmermodelle keine Servolenkung, was zum echten Bizepstraining ausartet.

Zwar bleibt zum Skifahren bei so einer Rallye keine Zeit, aber ein echter Mini sieht mit den Brettern auf dem Dach schon sehr stylisch aus.

Dabei schonen die wenigsten sich und ihre Schätze. Jan Hendrik Jacobs aus den Niederlanden hat den ersten jemals gebauten Aston Martin DB2 mitgebracht, der auch in Le Mans rannte – ein Juwel von 1950, das jetzt von seinem Besitzer sportlich in die Kurven geworfen wird. Domenico Morassutti – einst Profi-Rallyefahrer und im Lancia 037 chancenlos gegen eine gewissen Walter Röhrl – prügelt seinen Alpine A110 über den meist schlechten Asphalt, als gelte es, dem besten Autofahrer der Welt doch noch zu zeigen, wo der Hammer hängt. Stefano Chiminelli hat einen armdicken Auspuff mitgebracht, an dem ein Irmscher-Gruppe-2-Opel Ascona 1.9 SR von 1974 hängt. Das Team ballert so lautstark durch die Dolomiten, dass den Bergkühen die Milch sauer zu werden scheint. Dagegen wirken die vielen italienischen Autos wie Lancia Fulvia Hf Coupé, Fiat 850 Coupé, Alfa Romeo GT Junior und Giulietta Spider sowie Giulia Sprint fast filigran. Ein Porsche 356 A Convertible D und ein Jaguar D-Type sowieso – es kommt hinzu, dass hier ziemlich hohe Fahrzeugwerte auf öffentliche Straßen losgelassen werden. 

Radnabe eines historischen Aston Martin.

Der zweite Tag ist nicht weniger spektakulär – fängt er doch mit dem Passo Giau an, um dann in einem Ring über die Pässe Pordoi, Sella, Gardena und Furcia zurück nach Cortina d’Ampezzo zu führen. Da sich die Polizei in Sachen Tempoüberwachung zumindest auf Landstraßen angenehm zurückhält (das ist übrigens fast üblich in Norditalien, wenn herrliche Klassiker und moderne Supersportwagen freie Fahrt aufgrund von fehlendem Verkehr haben), sind atemraubende Zwischensprints möglich – ebenso wie der beherrschte Drift durch die unglaublich engen Serpentinen.

Rasten muss sein: Teilnehmerfahrzeuge parkieren vor dem Grand Hotel Savoia.

Fehlt noch die Antwort auf die Frage, wer das neunte WinteRace denn nun gewonnen hat: natürlich Italiener. Und selbstverständlich mit einem Vorkriegswagen, dem Fiat 508 S von 1935. Denn dank der frei stehenden Räder sieht man hier die Schläuche der 66 Sonderprüfungen am besten … 

Technische Daten Aston Martin DB11

Motor: V8-Biturbo

Hubraum: 3.982 ccm

Leistung: 393 kW (535 PS) bei 6.000/min

Max. Drehmoment: 675 Nm bei 2.000–5.000/min

Getriebe: Achtgang-Automatik

Antrieb: Hinterräder

Gewicht: 1.760 Kilo

Sprint 0–100 km/h: 4,0 Sek.

Top-Speed: 309 km/h

Preis: 193.900 Euro

Preis Testwagen: 236.610 Euro

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Grand Tour de Grandezza https://materialist.media/grand-tour-de-grandezza/ Sat, 20 Aug 2022 15:39:38 +0000 https://materialist.media/?p=4043 Mit dem Bentley Continental GT Speed auf den Spuren von Eleganz und Größe.

Längs des Gardasees, auf der westlichen Seite, am Ortsende der kleinen Gemeinde Gargnano, lässt sich hinter einem schmiedeeisernen Tor ein Musterbeispiel italienischer Grandezza besuchen, nämlich die im neugotischen Stil errichtete Villa Feltrinelli. Das Anwesen war einst Sommersitz einer der reichsten Familien Italiens, durch Holzhandel wohlhabend geworden, mit Waldbesitz in Kärnten und Beteiligungen an mehreren europäischen Eisenbahngesellschaften. Später kamen eine Bank und die Herstellung von Textilien dazu. Dieser Familie entstammte Giangiacomo Feltrinelli, 1926 in Mailand geboren, später Gründer des Verlags Feltrinelli und eine der schillerndsten Figuren der italienischen Nachkriegszeit.

Die Villa liegt direkt am Ufer des Gardasees, eingebettet in einen Park voll kostbarer Pflanzen.

Heute ist die Villa Feltrinelli ein wunderschönes Grandhotel, vielleicht sogar die poetischste Hinterlassenschaft jener aristokratischen und großbürgerlichen Villenkultur der norditalienischen Seen, deren Bestreben es war, ohne Geiz und andere Beschränkungen Orte zu schaffen, an welchen das auf Erden bestmögliche Leben zu verwirklichen sei, voller kostbarer Möbel, mit Intarsien, Stuckaturen, Glasmalerei in den Treppenhäusern, Terrazzo und den prächtigsten Marmorplatten, die die Steinbrüche der Gegend hergaben. Entsprechende Gärten – oder besser: Parkanlagen bildeten den äußerlichen Rahmen. Sozusagen eine bauliche Zeichengebung, Ausdruck des Bestrebens, in der Wohnarchitektur Großzügigkeit und Würde zum Ausdruck zu bringen. 

Das Treppenhaus der Villa mit ihren einzigartigen Fenstern und Marmorstufen zeugt von Noblesse.

Hier rollt man heran, hier fährt man vor. Der Bentley Continental GT Speed, ein Luxus-Coupé aus Crewe in der britischen Grafschaft Cheshire, ist nachgerade das automobile Gegenstück zur Grandezza des Seeschlösschens, als würdiger Begleiter ebenfalls geprägt von exklusivem Stil und reichlich Handwerkskunst. 485 Kilowatt geben in dem V8-Modell den Ton an und sorgen für gelassenes, genussvolles Fahren in einer Zeit, wo bei den meisten Automobilisten angesichts nur mäßig komfortabler Fortbewegungsmittel eine außerordentliche Überempfindlichkeit der Nerven zutage tritt.

Der Bentley Continental GT Speed mit in Dragon Red II ist ein Grand Tourer der Extraklasse – perfekt für eine Tour zu den noblen Adressen Norditaliens.

Bei diesem Grand Tourer hingegen wird durch die wunderbare Abdämpfung von Lärm und löcherigen Pisten eine Ruhe und Behaglichkeit erreicht, wie es in diesen feinsten Gradierungen nur sehr wenige andere erreichen. Als Hoflieferant der britischen Königsfamilie von außerordentlicher Noblesse geprägt, steht Bentley mit seinem Interieur immer auch für besondere Materialien und Ideen, genannt sei etwa das bewegliche, in Nussholz verpackte Rotating Display oder die tiefen Teppiche aus einheimischer Wolle.

Die noble Innenausstattung des Continental GT Speed mit seiner im typischen Rautenmuster gesteppten Lederverkleidung.

So spielt das Ästhetische bei den Modellen mit ihrem ikonischen Rautengrill und den straffen, raubtierhaften Flanken stets eine entscheidende Rolle, jeder Bentley ist perspektivisch auch ein Sammlerobjekt.

Beim Ein- und Aussteigen wird das Logo auf den Boden projiziert.

Das edle Motorfahrzeug mit seiner perfekt zum Hotel passenden Farbe Dragon Red II wird entladen, endlich geht es hinein in die quasi kathedralenhafte Halle aus einer extrovertierten Zeit. Venezianischer Stuck, Deckenfresken, Schmiedeeisen, kunstvoll geschnitzte Hölzer an den Wänden und eine wundervolle Floristik empfangen den Gast.

Jede der Suiten ist anders eingerichtet und beeindruckt durch das stilvolle, häufig antike Mobiliar.

Fortan möchte man eigentlich nichts mehr anderes tun, als all die Schönheit zu betrachten, die dieses Juwel für die Gäste bereithält. Ausgestaltet von der kalifornischen Innenarchitektin Pamela Babey, deren Auftrag es war, das Hotel als eine Art Grand Residence mit den allerhöchsten Standards zu gestalten, präsentiert sich den Sinnen ein Unikat, wo jeder Türgriff, jede Leuchte, jeder Bezugstoff und jedes noch so unscheinbare Dekorationselement verschmilzt zu einem schier überwältigenden großen Ganzen. Das Kommando über die dreizehn epochalen Suiten, Gesellschaftsräume, Küche, Keller und den Garten hat heute eine private Betreibergesellschaft, geführt von dem Investor und Hotelier Markus Odermatt.

Deckenschmuck im beliebten Turmzimmer.

Die Gesellschaftsräume im Erdgeschoss, die Bibliothek, Salon und Speisesaal präsentieren sich in jener komfortorientierten großbürgerlichen Manier, die heute einer oft von glanzlosem Minimalismus gepeinigten Menschheit fast verloren gegangen scheint. Durch Aufteilung und Zuschnitt der Räumlichkeiten spürt man den ebenso repräsentativen wie geselligen Anspruch, den die Familie Feltrinelli durch vielerlei Empfänge und Feste einst zu leben in der Lage war.

Die liebevoll eindeckte Terrasse ist an warmen Abenden der perfekte Platz für das Dinner.

Die gezielte räumliche Großzügigkeit spiegelt sich auch auf den Terrassen und in den Außenanlagen, die stets auch Orte zum Verweilen sein sollten und dies auch sind. Nicht ohne Grund liegen auf den Marmorstufen, die hinunterführen vom Salon zum Kiesweg am See, rote Polsterkissen. Sie laden dazu ein, sich niederzulassen und nichts anderes zu tun, als nur hinauszublicken auf das Wasser und die gemächlich ihre Bahnen ziehenden Boote. Etwas weiter entfernt stehen direkt an der Wasserkante einige Gartensessel für den Rückzug und den in aller Ruhe einzunehmenden Tee.

Verwunschener Rückzugsort auf einem Steg am See.

Inzwischen ertönt leise Klaviermusik aus dem Salon und die ersten Gäste geben ihr Stelldichein für den Cocktail, der mit einigen köstlich leichten Kanapees vor dem Dinner gereicht wird. In Shorts und Sandalen sitzt hier niemand, ganz selbstverständlich gehört die modisch elegante Garderobe hier zum guten Ton.

Eine Freitreppe führt hinunter zum See, wo man sich eine Erfrischung reichen lassen kann. Der Boden ist mit Marmorsplit belegt.

Zur gegebenen Zeit wechseln wir hinüber in das Restaurant unter kreativer Leitung des Zweisternekochs Stefano Baiocco. Auf dem Büfett sind rund ein Dutzend handgeblasene Dekanter dekoriert, ein dezenter Hinweis auf den Weinkeller, der mit den besten Gewächsen Italiens bestückt ist, sei es aus der Toskana, sei es aus Südtirol. Ob Masseto, Ornellaia, Sassicaia oder Solaia – anspruchsvolle Weinliebhaber kommen hier definitiv auf ihre Kosten.

Im gut sortierten Weinkeller warten die besten Lagen Italiens.

Die Küche setzt auf fein verwobene Aromen und nutzt die Gaben des hauseigenen Kräutergartens mit über 200 verschiedenen Pflanzenarten. Fangfrische Gamberoni und hausgemachte Pasta stehen genauso auf der Karte wie zartestes Lammkarree oder getrüffelter Seeteufel. 

In den geräumigen Gemächern sind die Betten mit feinster Wäsche bezogen.

Später wartet oben ein breites Himmelbett, weich, mit bester Wäsche bezogen. Auf dem Nachttisch ein Holzkästchen mit Messingplatte und acht Knöpfchen, die dazu dienen, zum Einschlafen die bevorzugte Musikrichtung zu wählen – von Pop über Klassik bis Jazz. Jede Suite ist anders möbliert, oft mit restaurierten Originalmöbeln aus dem Bestand zu Lebzeiten der Familie Feltrinelli.

Lackierte Schale für persönliche Accessoires.

Auch in den Schlafräumen mit ihren hochglanzpolierten Holzböden herrscht das Flair des Sinnlichen, Üppigen, Exquisiten. Wunderschöne Kompositionen einer großbürgerlichen Lebensart, die zu genießen eher selten geworden ist. An den Fenstern filtern kunstvoll gesäumte, mit Quasten besetzte Vorhänge das Licht. Viele Stoffe und Bezüge wurden speziell für das Hotel angefertigt, in einer Qualität außerhalb der üblichen Norm und unbestreitbar wertvoll, dazu Antiquitäten, um die sich liebevoll zusammengestellte Dekorationsgegenstände ordnen.

Blick in die Halle mit prächtiger Floristik.

Selbstverständlich gibt es auch ein Inventarbuch, in dem die Herkunft jedes einzelnen Objekts, ob gefütterte Briefpapierschachtel, silberner Portraitbilderrahmen oder steinerner Fuß als Türstopper, festgehalten ist. Die Marmorbäder mit ihren aufwendigen Armaturen im Stil der Jahrhundertwende sind ebenfalls voller Raffinesse und Großzügigkeit. Dem Vernehmen nach handelt es sich bei den Wannen um Jacob-Delafon-Wannen aus französischem Porzellan, die so schwer sind, dass ein spezielles Stahlbett nötig war, um sie sicher auf dem darunterliegenden Fußboden zu verankern. Alle Badezimmer haben selbstverständlich beheizbare Marmorfußböden.

Papierschatulle als Dekoration in der Bibliothek.

Vater dieses ganzen Luxus ist der amerikanische Unternehmer Robert H. Burns, der einst in Zusammenarbeit mit dem deutschen Hotelier Georg Rafael die Regent International Hotels gegründet hatte. 1992 verkaufte er seine Anteile an der Gruppe Four Seasons Hotels and Resorts. Als steinreicher Privatier entschied er sich, die seit einigen Jahren leer stehende Villa Feltrinelli im Jahr 1997 zu kaufen und originalgetreu zu renovieren. Selbst die alten schwarzen Bakelit-Telefone mit manueller Wählscheibe sind noch vorhanden – und sogar funktionsfähig. Ziel war, ein Traumdomizil zu schaffen, ein würdevolles Hideaway für Connaisseurs, wo es an nichts fehlt und die gehobene italienische Lebensart auf schönste Weise zelebriert wird. 

Eine Auswahl kostbarer Dekanter im Speiseraum deutet auf den gut sortierten Weinkeller hin.

Dazu gehört auch der kunstvoll gestaltete Park mit seinen prächtigen alten Bäumen. Am See entlang nach Norden führt ein Kiesweg aus zerkleinertem Marmor. Zur rechten Seite gibt es kleine Stege, die von schattenspendenden Bäumen flankiert werden und jeweils mit Lehnstühlen und einer Badeleiter bestückt sind. Wer mag, kann hier den ganzen Tag verweilen, ein Buch lesen, träumen und zwischendurch ein bisschen im Gardasee schwimmen.

Ein Koch ist am frühen Morgen unterwegs zum Kräutergarten um sich mit den notwendigen Zutaten zu versorgen.

Weiter hinten auf dem Grundstück findet sich ein offener Pavillon als Fitnesstempel mit allen notwendigen Geräten und Gewichten. Wer bis zum Ende des Grundstücks spaziert, trifft auf eines der Gästehäuser mit weiteren Zimmern. Von dort sieht man schon den weitläufigen, aber gut geschützten Kräutergarten, der von den Köchen der Villa Feltrinelli gepflegt und geerntet wird. Hier wird eine Vielzahl von Heilpflanzen, Blüten, Küchenkräutern und Gewürzen gezogen, die auch täglich in den Speisen Verwendung findet. Zahlreiche Sorten Thymian sind genauso dabei wie etwa Walderdbeeren oder Chilischoten. Jeden Morgen in der Früh machen sich Köche auf den Weg hierher, um die Zutaten für den berühmten Wildkräutersalat taufrisch zu ernten. 

Der Kräutergarten mit Hunderten von Pflanzen befindet sich in Nachbarschaft der Zitronenbäume.

Wunderschön auch die dahinter befindlichen Terrassen und durch Steintreppen verbundenen Terrassen für die Zitronenbäume, eine Seltenheit, die man so nur in der Region von Gargnano findet. Zitronenhaine gedeihen ausschließlich an der westlichen Seite des Gardasees, denn nur dort verhindert die Morgensonne das Frieren. Traditionellen Schutz gegen die nordwestlichen Winde bieten Steinmauern und große Querbalken, über die Planen und Netze gespannt werden. 

Chefkoch Stefano Baiocco persönlich bei der Pflege seiner Kräuter- und Würzpflanzen.

Je tiefer man vordringt auf dem Grundstück, desto mehr offenbart sich jenes botanische Schauspiel, das kunstfertige Gärtner im Laufe vieler Jahre durch die geschickte Wahl der Standorte für die Pflanzen haben entstehen lassen. Gewächse vieler Klimazonen beheimateten sich hier und entfalten heute einen bemerkenswert poetischen Zauber. Auf der anderen Seite des Grundstücks Richtung Süden ist inmitten des perfekt gepflegten Rasens ein Krocketplatz entstanden – mit einem malerischen Gartenhaus im Hintergrund. Der Pool mit bequemen Liegen befindet sich in Rufnähe zum Haus mit Blick auf den See.

Von Grundstück der Villa Feltrinelli aus hat man einen wunderschönen Blick den See entlang.

Zeit für einen Kaffee auf der windgeschützten Terrasse, dem Logenplatz des Hauses, wo das Frühstück serviert wird und bei schönem warmen Wetter auch das Dinner. Natürlich kommt der Kaffee aus der Siebträgermaschine, bester frisch gerösteter Arabica, und natürlich steht er heiß auf dem Tisch – serviert in exquisitem Porzellan mit Tassendeckel. Müßiggang ist in der Villa Feltrinelli für die Gäste Trumpf, nahezu automatisch gerät man in den Modus des Verweilens und Genießens – die kleinen Details und die ästhetischen Freuden dieser Poesiereise umfangen den Gast von der ersten bis zur letzten Stunde des Aufenthalts. 

Der Salon mit Holztäfelungen und einer kunstvollen Deckenmalerei.

In der Bibliothek liegt auf dem Couchtisch ein älterer Bildband der Edition Steidl über Inge Feltrinelli, geborene Schönthal, eine frech aussehende charismatische Frau, die ihre Karriere als Gesellschaftsfotografin begonnen hatte und deren Fotos in internationalen Magazinen wie Constanze, Paris Match und Life erschienen waren. Nach ihrer Hochzeit 1960 war die Deutsche Giangiacomo Feltrinelli nach Mailand gefolgt und hatte immer wieder schöne Stunden in der Villa verbracht. So entdeckt man in dem Band neben Aufnahmen von Berühmtheiten wie Hemingway und Picasso, Fidel Castro oder Simone de Beauvoir auch Fotos ehemaliger Gäste und Bewohner des Hauses beim Schachspielen, Diskutieren, Flirten und Entspannen – gleich einer Zeitreise, die vor allem eins eindrucksvoll vermittelt: die diesem Haus wie von Zauberhand anhaftende Magie. Robert H. Burns und heute Markus Odermatt haben alles dafür getan, dass das für die Nachwelt so erhalten blieb.

VON THOMAS GARMS

www.villafeltrinelli.com

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FEST DER SINNE https://materialist.media/fest-der-sinne/ Sat, 19 Mar 2022 16:59:05 +0000 https://materialist.media/?p=3924 Der Mercedes SL feiert sein siebzigjähriges Jubiläum. Hier die schönsten Fotos

Die beiden Buchstaben SL stehen für eine einzigartige Mercedes-Benz Sportwagentradition: Seit 70 Jahren markiert das Kürzel für „Super-Leicht“ und damit sportliches Autofahren – vom 300 SL Rennsportwagen (W 194) aus dem Jahr 1952 bis zum jüngsten SL der Baureihe 232 der Performancemarke Mercedes-AMG. Der Urvater W 194 bleibt dem Motorsport vorbehalten, doch damit transportiert er einen wichtigen Markenwert von Mercedes-Benz: Als ältester Luxusautomobilhersteller der Welt leistet sich die Marke in vielen Epochen Engagements im Motorsport – und ist dabei höchst erfolgreich. Ab dem Seriensportwagen 300 SL Coupé (W 198) sind dann Sportlichkeit, Luxus und Lifestyle die Attribute jedes SL. 

Meet Mercedes Summer „Mythos SL“, Juni 2021. Fahrzeuge von Mercedes-Benz Classic. Von rechts vorn nach links hinten: Mercedes-Benz 300 SL Rennsportwagen (W 194) von 1952, Mercedes-Benz 300 SL Rennsportprototyp (W 194/11) für die Saison 1953 , Mercedes-Benz 300 SL Coupé (W 198) von 1957, Mercedes-Benz 190 SL (W 121) von 1961, Mercedes-Benz 300 SL Roadster (W 198) von 1960, Mercedes-Benz 280 SL (W 113) „Pagode“ von 1970, Mercedes-Benz 350 SL (R 107) von 1971, Mercedes-Benz SL 600 (R 129) von 1995, Mercedes-Benz SL 55 AMG (R 230) von 2005, Mercedes-Benz SL 500 (R 231) Special Edition „Mille Miglia 417“ von 2015.

Alle Generationen schreiben dabei ihre eigenen Kapitel in der ununterbrochenen Erfolgsgeschichte, zu sehen im Mercedes-Benz Museum mit der Sonderausstellung „Faszination SL – seit 70 Jahren ein Traumwagen. Die Ausstellung läuft bis zum 9. Oktober 2022 im Collectionsraum 5 und umfasst zehn SL-Sportwagen aus sieben Jahrzehnten, vom ältesten erhaltenen 300 SL Rennsportwagen (W 194) bis zum neuen Mercedes-AMG SL der Baureihe 232. 

Vorn: Mercedes-Benz 300 SL Rennsportwagen (W 194) von 1952. Hinten, von rechts nach links: Mercedes-Benz 300 SL Coupé (W 198) von 1957, Mercedes-Benz 300 SL Roadster (W 198) von 1960, Mercedes-Benz 280 SL (W 113) „Pagode“ von 1970, Mercedes-Benz 350 SL (R 107) von 1971, Mercedes-Benz SL 600 (R 129) von 1995, Mercedes-Benz SL 55 AMG (R 230) von 2005, Mercedes-Benz SL 500 (R 231) Special Edition „Mille Miglia 417“ von 2015.

Im März 1952 präsentiert Mercedes-Benz den 300 SL (W 194), ein reines Motorsportfahrzeug. Mit ihm gewinnt die Marke vier von fünf Rennen in der Saison: die Sportwagenrennen in Bern (Dreifachsieg) sowie auf dem Nürburgring (Vierfachsieg), die 24 Stunden von Le Mans (Doppelsieg) und die III. Carrera Panamericana in Mexico (Doppelsieg). Bei der Mille Miglia, sie ist der erste Renneinsatz damals, sind es die Plätze zwei und vier. Für die Saison 1953 entsteht der Rennsportprototyp W 194/11. Wegen der Vorbereitungen für den Einstieg in die Formel 1 kommt er nicht mehr zum Einsatz, ist aber ein wichtiger Technikschritt auf dem Weg zu den Rennwagen (W 196 R) und Rennsportwagen (W 196 S) in den Jahren 1954 und 1955. 

Mercedes-Benz 300 SL Rennsportwagen (W 194) von 1952 von Mercedes-Benz Classic. Detailaufnahme der Fahrzeugfront mit dem typischen SL-Gesicht und der mit einem Lederriemen fixierten Motorhaube.
Das Interieur des Mercedes-Benz 300 SL Rennsportprototyp (W 194/11) für die Saison 1953 von Mercedes-Benz Classic.

Schnell werden Rufe nach einer Serienversion des erfolgreichen Rennfahrzeugs laut. Mercedes-Benz reagiert und präsentiert schon 1954 den Seriensportwagen 300 SL Coupé (W 198), den legendären „Flügeltürer“. Nur 1.400 Exemplare des begehrten Sportwagens mit den charakteristischen, wegen des Gitterrohrrahmens am Dach angeschlagenen Türen werden gebaut. Heute erreichen die Fahrzeuge Sammlerpreise deutlich jenseits von einer Million Euro. 

Mercedes-Benz 300 SL Rennsportwagen (W 194) von 1952 mit geöffneten Flügeltüren.

Zeitgleich mit dem „Flügeltürer“ stellt die Marke 1954 den Mercedes-Benz 190 SL vor, konzipiert als eleganter, offener Sportwagen. Neben dem Supersportwagen 300 SL ist der äußerlich ebenfalls sehr sportlich wirkende Roadster ein Fahrzeug mit umfassendem Komfort selbst für große Reisen bei hohen Reisegeschwindigkeiten. 

Mercedes-Benz 300 SL Coupé (W 198), Baujahr 1957, von Mercedes-Benz Classic. Exterieurfoto von rechts hinten mit geöffneten Flügeltüren.

1957 folgt der 300 SL Roadster (W 198) auf das „Gullwing“-Coupé. Wie sein Vorgänger ist auch dieses Fahrzeug auf Initiative des US-Importeurs Maximilian E. Hoffman entstanden. Technisch entspricht der Roadster weitgehend dem Coupé. Durch Modifikation der Seitenteile des Gitterrohrrahmens kann die Einstiegshöhe nun aber so weit reduziert werden, dass sich normale, vorn angeschlagene Türen realisieren lassen. 

Von links nach rechts: Mercedes-Benz 300 SL Coupé (W 198) von 1957, Mercedes-Benz 280 SL (W 113) „Pagode“ von 1970, Mercedes-Benz 300 SL Roadster (W 198) von 1960.

1963 löst der 230 SL (W 113) sowohl 300 SL Roadster wie auch 190 SL ab. Er überzeugt mit Sportlichkeit, Komfort sowie Sicherheit und ist seitdem wegweisend für die SL-Tradition. Das optionale Hardtop mit hohen Scheiben und dem von schmalen Säulen getragenen Dach erinnert durch seine nach innen gewölbte Form an asiatische Tempelbauten. Das bringt dem W 113 den Beinamen „Pagode“ ein. 

Mercedes-Benz 280 SL (W 113) „Pagode“, Baujahr 1970, von Mercedes-Benz Classic.
Mercedes-Benz 280 SL (W 113) „Pagode“, Baujahr 1970, von Mercedes-Benz Classic. Interieurfoto von links hinten.

Die SL der Baureihe R 107 haben im Frühjahr 1971 Premiere. Erstmals in der Geschichte des Mercedes-Benz SL arbeiten in den Typen 350 SL und 450 SL Achtzylindermotoren. 1974 folgt der 280 SL mit Sechszylindermotor, damit sind erstmals drei Motorisierungen im Programm. Die Baureihe strahlt Eleganz und Solidität aus. Das Crashverhalten des offenen Zweisitzers ist seiner Zeit weit voraus. Der R 107 wird 18 Jahre lang gebaut – ein Rekord. 

Mercedes-Benz 350 SL Roadster (R 107); Farbe: sandbeige 467; Baujahr: 1971

Auf dem Genfer Auto-Salon des Jahres 1989 präsentiert Mercedes-Benz dann die nächste Generation, den SL der Baureihe R 129. Branchenprägend ist der automatische Überrollbügel, der selbst bei geschlossenem Hardtop innerhalb von nur 0,3 Sekunden hervorschnellt. Mit dem Fahrzeug trifft die Marke ins Schwarze: Schon bald ist die Produktionskapazität ausgelastet. Die Kunden nehmen teilweise mehrjährige Lieferfristen in Kauf. Legendär sind die Zwölfzylinder-Spitzenmodelle 600 SL/SL 600 sowie SL 73 AMG mit 7,3-Liter-V12-Motor.

Mercedes-Benz SL 600 (R 129), Baujahr 1995, von Mercedes-Benz Classic.

2001 hat die nächste SL-Generation mit dem internen Kürzel R 230 Premiere. Ihre auffälligste Neuerung ist das Variodach aus Stahl: Erstmals in der Geschichte des Mercedes-Benz SL ermöglicht es ein offenes Fahrzeug und ein Coupé in einem. Das Design der Baureihe R 230 vereint über markante Details Tradition und Zukunft. Der AMG Anteil wächst in dieser SL-Generation deutlich: Fast ein Drittel aller R 230 haben AMG Motoren.

Mercedes-Benz SL 55 AMG (R 230), Baujahr 2005, von Mercedes-Benz Classic. Exterieurfoto von vorn.

Im Januar 2012 wird zum 60. Geburtstag des SL auf der North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit die Baureihe R 231 präsentiert. Ein Schwerpunkt der Neukonstruktion liegt auf der Gewichtsreduzierung des Sportwagens über zahlreiche Maßnahmen. Auf Wunsch erhältlich: MAGIC SKY CONTROL, das Glasdach mit einstellbarer Tönung und Transparenz. 

Mercedes-Benz SL 500 (R 231) Special Edition „Mille Miglia 417“, Baujahr 2015, von Mercedes-Benz Classic. Exterieurfoto von vorn.

Der neue Mercedes-AMG SL (R 232) ist die jüngste Neuauflage einer Ikone. Mit klassischem Stoffverdeck und sportlichem Charakter fügt er sich nahtlos in die glänzende Historie ein. Gleichzeitig ist der luxuriöse Roadster als 2+2-Sitzer besonders alltagstauglich und bringt seine Leistung erstmals mit Allradantrieb auf die Straße. Den Auftakt zum Marktstart machen zwei Modelle mit AMG V8-Biturbomotor. 

CDer neue Mercedes-AMG SL 55 4MATIC+ in Alpingrau Uni.

Copyrights: Alle Fotos Mercedes-Benz Classic

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Bonjour Allemagne https://materialist.media/bonjour-allemagne/ Mon, 30 Aug 2021 17:33:32 +0000 https://materialist.media/?p=3647 Ein Viertürer mit Eleganz und der Silhouette eines Coupés. Frankreich schickt mit dem DS9 eine luxuriöse und charmante Limousine auf die Boulevards dieser Welt

Im schönen Rheingau, ein feines Schloss als Refugium im Hintergrund und die Rebstöcke standen Spalier. Einen ganzen Tag öffneten und schlossen wir Türen, streichelten Gaspedale, mal ganz sanft, mal mit deutlichem Nachdruck. Eine französische Limousine, die schon bald die höchste Ebene einer Limousine erklimmen wird. Staatskarosse ist der falsche Ausdruck. Wir schreiben lieber über eine präsidiale Limousine, auch wenn die Ausmaße und der ästhetische Ausdruck diesen Franzosen eher ins Lager der elegant-filigranen Automobile stellen. Knapp fünf Meter Länge, ein Radstand von 2,90 Meter, die Knie können der Rückenlehne des vorderen Sitzes zuwinken. Huldvoll natürlich. 

Elegantes Design, schöne Lederausstattung. Die Augen bleiben unweigerlich am Zeitzeiger des Chronographen von B.R.M. hängen.

Wir sitzen zuerst in der Rivoli+-Variante des DS 9. Wir steigen zunächst hinten ein. Rechts natürlich. Der Vordersitz läuft nach vorn, so schnell es die Elektromotoren zulassen. Es summt ein wenig und dann ist Raum fast im Überfluss vorhanden. Dazu Massage unten und hinten, die Rückenlehne zieht sich vornehm zurück. Die Soundanlage kommt zu Wort und wenn man die Augen schließt, kommt es einem vor, als sei man in einem fahrenden Salon unterwegs. 14 Lautsprecher wurden im Innenraum platziert, auf dass keine Schallwelle ein Ohr verpasse. Focal JMLab aus Saint-Étienne hat sich des Innenraums angenommen und einen Konzertsaal in Miniausführung kreiert. 

Die Schaltung liegt gut in der Hand.

Und während man sich Gedanken über die Ästhetik des Innenraums macht, laufen die Handinnenflächen über Leder, sehr gutes Leder. Die Augen bleiben unweigerlich am Zeitzeiger des Chronographen von B.R.M hängen. Jenem kleinen Kunstwerk, das bei Aktivierung der Zündung seinen Auftritt hat, sich dreht, auf der Bühne namens Instrumententafel erscheint und dort auf ein Ah und Oh wartet.

Familiengeschichte: DS9 neu und der Ahne.

Draußen die zweite Bühne. Hinter dem Glas der Frontleuchten ein Ballett, je ein Trio pro Seite. Der Zeigefinger berührt den Knopf auf dem Schlüssel und sie tanzen, drehen sich, synchron, und sie leuchten. Im DS 9 als Selbstverständlichkeit, im DS 7 nur gegen ein Extrahonorar. Auch das ist DS, die Extravaganz als Grundnahrungsmittel. Die Raute, beim Mitbewerber im Logo verewigt, im DS allgegenwärtig. Als Signum der DS-Klasse und auch als ästhetische Antwort auf die Frage, weshalb einfachste Geometrie im Gedächtnis besonders gut haften kann.

Hinter dem Glas der Frontleuchten ein Ballett, je ein Trio pro Seite.

Es lockt die Straße, der Rheingau mit seiner malerischen Kulisse und die Windungen, in Asphalt gegossen, für eine kurze und sportliche Fahrt perfekt geeignet. Viel erklären müssen uns die DS-Leute nicht. DS-9-Interieur ist gleich DS-7-Interieur. Alle Schalter, Stellwalzen und Knöpfe sitzen an ihrem Stammplatz, natürlich edel glänzend und aus Metall. Plastik war gestern. Die Sitze gewohnt bequem und das Volant will man nicht Lenkrad nennen. Es ist diese Atmosphäre, die man mittlerweile der Marke DS fast automatisch zuordnet und die uns dem Begriff Savoir-vivre sehr nahe bringt. Der Vierzylinder läuft schon eine Weile, man hört ihn nicht. Es wurde gedämmt und abgeschirmt. Als säße man in einem Auto mit reinem E-Antrieb. Nur leichte Bewegungen sind spürbar, ein Vibrator im ersten Gang. Oh, là, là. 

Die Silhouette wirkt elegant und sportlich zugleich.

225 PS sind nun auf Tour, am Rhein entlang, stromaufwärts, ein paar Frachter verlieren das Rennen, 1,6 Liter Hubraum plus Turbopower. Es reicht allemal für den Landstraßen-Swing mit mittlerer Drehzahl. Der Vierzylinder schiebt und treibt den 1,5-Tonnen-Wagen leichtfüßig und lässig nach vorn. Das Fahrwerk, das nicht für den Rallye-Sport geeignet ist, lässt Neigungen zu, aber der Kaffee bleibt im Becher. Es ist mehr Swing als Tango, flüssig und in aller Ruhe. Eine Limousine eben, die den Menschen bewegt. Nur ist dieser Viertürer eben diesen Tick charmanter als viele seiner Kollegen. 

Das Heck mit eleganten Verzierungen aus Chrom und Positionsleuchten in den C-Säulen. Mit dem DS 9 wollte man in der oberen Mittelklasse einen Vertreter der französischen Lebensart platzieren. Das ist gelungen.

Die erste Auswechslung. Der Benziner verlässt das Spielfeld, der Hybrid läuft auf und gleich spüren wir diese Dualität der Ereignisse. Weniger Energieverbrauch und mehr Punch aus dem Keller. Der E-Motor lässt seine 110 PS ohne Anlauf, ohne Drehzahl zum Sturm antreten. Wir erleben keinen Orkan, eher eine Wallung, aber es reicht. Das Mehr an Masse ruht im Keller, treibt den Franzosen auf den Asphalt, und wir erkennen am Kaffeebecher, dass wir Kurven deutlich schneller durchlaufen. Die Zentripetalkraft treibt ans Kurvenäußere. Die Kooperation der beiden so unterschiedlich arbeitenden Motoren klappt vorzüglich. Wir kennen das schon aus dem DS 7 E-Tense. Und es macht Spaß. Solange die Batterie genug Energie gelagert hat. 

Der DS9 macht eine gute Figur als Reiselimousine. Spaß macht die beachtliche Ladefläche im Kofferraum.

Und nun der Sturm auf die Bastion deutscher Straßen. Mit 360 Pferden in der Kutsche rennen wir los. Im Sport-Modus, weil sich das so gehört. Und der DS liefert. Prompt, weil mit gleich zwei E-Motoren bestückt und, logisch, Allradantrieb. Traktion an der Ampel, ansatzloser Vortrieb und die Kollegen dahinter werden im Rückspiegel sehr, sehr klein. Das mag nicht dem französischen Stil entsprechen, aber wo steht geschrieben, dass man in Frankreich nicht mehr als nur schmunzeln darf? Der DS 9 E-Tense 360 jedenfalls steht der Frage nach dem Sinn des Ganzen recht amüsiert gegenüber. Er kann, er macht und er freut sich mit seiner Besatzung.

Die Lederpolsterung beeindruckt durch eine markante Steppung.

Am Ende der drei Dienstfahrten schauten wir in fragende, neugierige Gesichter. Wie es denn so gewesen sei? Es war gut, sehr gut sogar. Eine Limousine, die dank einiger Details der Göttin aus den guten, alten Tagen eine Verbeugung gönnt. Die Positionsleuchten zum Beispiel. Links und rechts an der C-Säule. Blinken dürfen sie nicht mehr, die Behörden mögen das nicht. Die Seitenansicht offenbart das Bedürfnis nach Eleganz des Franzosen. So wie sich die klassische DS weiter hinten in eine Art von Coupé verwandelt, so schafft dies auch der DS 9. Vorn auf der Motorhaube dann das „Schwert“. Eine Chromspange, die die Haube in zwei Hälften teilt und die eben diesen Touch an Extravaganz gleich zu Beginn des Wagens ins Auge wirft. 

Das markante Logo des DS9.

Allen dreien ist die Ästhetik gemein und die wirft sich mit absoluter Treffsicherheit in die Sensorik von Menschen, für die der Charme eines Automobils nicht nur optisches Beiwerk, sondern Teil des Ganzen ist. Dass frankophile Menschen diesem Charme dann auch erliegen werden, ist naheliegend und logisch. Trotzdem wagen wir eine Prognose, welche Variante des DS 9 hierzulande erfolgreich sein wird. Derzeit sicher der E-Tense 4×4 360. Der Preis ist dank einer Prämierung durch den Staat mehr als attraktiv. Abgesehen vom Preis ist die Mischung aus Design, Komfort und Sportlichkeit bei exakt diesem Model schon sehr attraktiv. 

Der DS 9 versteht sich als Frankreichs Antwort auf 5er, E-Klasse und A6.

Ein Anruf beim DS-Händler in Hamburg. Den DS 9 kauft man in Deutschland entweder als reinen Benziner oder als Plug-in-Hybrid und die Bandbreite an Motorleistung reicht von 225 bis 360 PS. Zwei Ausstattungsvarianten verwandeln den DS 9 entweder in eine Limousine mit sportlicher Aufmachung oder in einen schicken Salon. Man hat also die Wahl zwischen Performance oder Rivoli+. Die 360-PS-Limousine kann man erst ab Herbst 2021 ordern, geliefert wird dann Anfang 2022. Den 225 E-Tense kann man sofort bestellen, beim Händler abholen kann man den Plug-in-Hybrid im letzten Quartal 2021.  

FAKTEN

DS 9 PureTech 225

Motor Vierzylinder Reihe

Hubraum 1.598 ccm

Leistung 165 kW/225 PS

Antrieb Vorderräder

Top Speed 236 km/h

0–­100 km/h: 8,8 s

Verbrauch kombiniert 5,6 l/100 km

Preis in Deutschland ab 47.550,00 Euro

DS 9 E-Tense Plug-in-Hybrid

Motor 133 kW/180 PS

E-Motor vorn 81 kW/110 PS

Systemleistung 225 PS

Antrieb Vorderräder

Elektrische Reichweite max. 50 km

Top Speed 240 km/h

0–100 km/h 8,7 s

Verbrauch kombiniert 1,6 l/100 km

Preis in Deutschland ab 52.810,00 Euro

DS 9 E-Tense 4×4 360 Plug-in-Hybrid

Motor Vierzylinder Reihe

Leistung 147 kW/200 PS

E-Motor hinten 83 kW/113 PS

E-Motor vorn 81 kW/110 PS

Systemleistung 360 PS

Top Speed 250 km/h

0–100 km/h 5,6 s

Verbrauch 2,0 l/100 km

Preis in Deutschland ab 67.000,00 Euro

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Ferrari statt Ferrero https://materialist.media/ferrari-statt-ferrero/ Sun, 07 Mar 2021 14:35:49 +0000 http://materialist.media/?p=3431 Der neue Roma sieht verdammt gut aus und überzeugt als wunderbarer Tourenwagen

Ist der Ferrari Roma der erste Ferrari für Frauen? Auch wenn das vielleicht für manche Ohren entrüstungstauglich klingen könnte, stellt sich doch die Frage, ob wir mit diesem wunderschön gezeichneten 2+ Coupé des Cavallino Rampante mit Mittel-Front-Motor nicht doch eine gewisse Abkehr von der betont maskulinen, bisweilen kantig-aggressiven Attitüde anderer rennpistenhungriger Ferrari-Modelle feststellen dürfen.

Die Testpilotin im sportiven Look: Mantel von Burberry, Sneakers Belstaff, Look Liapure.

Denn dieses Auto fühlt sich trotz aller Power wie eine gut erzogene Raubkatze an. Es sieht phantastisch aus, überzeugt durch raffinierte Proportionen und ein zeitloses Design, gepaart mit unvergleichlicher Leistung und einem unkomplizierten Handling.

Der Kofferraum ist groß genug für aussagekräftiges Gepäck.

Entscheidend ist die relaxte Attitüde des Roma. Er möchte an den unbeschwerten, vergnüglichen Lebensstil im Rom der 1950er und 60er Jahre erinnern und hat – hier spricht die Fashionista – eine durchaus modische Attitüde. Natürlich auf High-End-Niveau. Frau hat nicht dieses „Hilfe-wo-ist-der-Schuhlöffel-Gefühl“. Klar, der Rocksaum kann schon ein Stückchen über die Oberschenkel rutschen beim Einsteigen. Aber eben nur ein bisschen. Dafür sorgt die etwas höhere Sitzposition.

Fußraum mit Pedalen und trittsicherem Schuhwerk.

Auch wenn es problemlos möglich ist und einen schönen Fuß macht, würde ich auch diesen Ferrari nicht mit Pumps fahren, sondern mit stilechten Carshoes. Statt dieser gummibesohlten Mokkassins taugen natürlich auch Sneakers. Aber bitte unbedingt barfuß tragen und nicht mit Füßlingen. In einem Roma sind Füßlinge ungefähr so unpassend wie eine Packung Ferrero Yogurette auf dem Beifahrersitz. Zu süß, zu viel lascher Magermilchjoghurt. 

Der Roma bietet eine höhere Sitzposition und ausreichend Kopfraum.

Zeit, den Startknopf zu drücken. Jetzt ist der Moment der Wahrheit gekommen, jetzt erlebst du, was es heißt, einen turbogeladenen V8 mit 3,8 Liter Hubraum und 620 Pferdestärken in den Wachzustand zu versetzen. Wie von einem Ferrari nicht anders zu erwarten, demonstriert das Triebwerk ein ausgeprägtes Territorialverhalten. Allerdings nicht grell, nicht giftig, sondern mit der satten Überzeugungskraft eines Grand Tourismo, der es nicht nötig hat, sein Umfeld mit theatralischer Geste in Angst und Schrecken zu versetzen.

Nicht nur von hinten zeigt der Roma Zähne.

An der nächsten Ampel verrät der kurze Blick in die Gesichter von Skoda-Yeti-Fahrern und Konsorten schiere Ratlosigkeit. „Was soll das jetzt? Seit wann dürfen hier die Mädchen nebenberuflich Autoexpertin spielen?“ Einen Wimpernschlag später bin ich uneinholbar hinter dem Horizont verschwunden. Das distinguierte Überlegenheitsgefühl wird beim Roma definitiv serienmäßig mitgeliefert.

Alle wichtigen Parameter im Blick: Das perfekt gestaltete Cockpit des Roma.

Im Gegensatz zu anderen Ferraris, die ostentativ rund um die Frau, den Mann am Steuer konzipiert sind, besitzt das Cockpit des Ferrari Roma eine nahezu symmetrische Struktur. Dies sorgt für eine organischere Verteilung von Raum und Funktionen, sodass auch die beisitzende Person mehr in das Fahren einbezogen wird. Dieses sogenannte Dual Cockpit-Konzepts passt in die Zeit mit den riesigen Monitoren, die jede Menge elektronischen Spielkram enthalten.

Edel ausgeschlagener Innenraum.

Der Fahrer blickt auf digitale Instrumente vor dem Lenkrad und das Display auf der Mittelkonsole, der Beifahrer hat einen eigenen Bildschirm vor sich. Das Kombiinstrument umfasst einen vertikalen 16-Zoll-HD-Bildschirm, der durch seine gewölbte Form gut lesbar ist. In der Standardanzeige umschließen die Navigations- und Audioanzeigen den großen runden Drehzahlmesser. Schicker Effekt: Sobald ich das Auto abschalte, werden alle Anzeigen vollständig schwarz. Ziemlich praktisch ist das Touchpad auf der rechten Speiche des Lenkrads, mit dem man durch Anzeigenmenü des Kombiinstruments navigieren kann. 

Mittelkonsole mit Klimasteuerung.

Ob in der Stadt oder draußen auf der Landstraße: Schnell zeigt sich, dass der Roma gebaut wurde, um uns aller digitalen Spielereien zum Trotz die Sinnlichkeit des Autofahrens zurückzugeben. Das fängt bei dem unnachahmlichen Sound an, ein herrlich maskulines Kurren, geradezu sexy in meinen Ohren. Und es geht weiter, wenn es auf große Tour geht. Die Sprints auf der kurvigen und hügeligen Strecke sorgen für wunderbare Adrenalin-Ausstöße und es macht einen Heidenspaß, mit den Flappy-Paddles seine ganz eigene Drehzahl-Choreographie zu bestimmen. Beim Cruisen kommt man in einen entspannten Flow, es könnte ewig so weitergehen. 

Das V8-Triebwerk des Roma.

Der Innenraum besticht durch eine schöne Lederausstattung, der Sitzkomfort lässt keine Wünsche offen. Von außen betrachtet, imponiert die wie aus einem einzelnen Metallblock geformte Front mit dem Haifischnasen-Effekt. Ein Ferrari muss im Rückspiegel des vorausfahrenden Fahrzeuges gefährlich aussehen: Schnell rüberziehen, vorbeilassen, so das Signal. Das knuffige Heck mit den  schmalen Rücklichtern wirkt energisch und trotzdem elegant. 

Ferrari-Schriftzug im Rückfenster.

Übrigens, Information am Rande: Der Kofferraum ist mit seinen 272 Litern Volumen angenehm groß, die Chanel Jumbo Flap Bag, die mich bei der Ausfahrt begleitete, sieht da fast ein bisschen verloren aus. Mit dem Roma rückt Ferrari Wettbewerbern wie Porsche oder Aston Martin ein Stück weit auf die Pelle, und wenn bisher die eine oder andere automobilverliebte Schwester mit dem sportlichen Wohnzimmer-Rollgefühl eines Bentley Continental GT liebäugelte, gibt es jetzt eine ernst zu nehmende Alternative im automobilen Schönheitswettbewerb. 

TEXT UND PRODUKTION//GEORGINA MORENO

https://www.instagram.com/stories/highlights/18178867954034381/?hl=de

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Legendärer Nachbau https://materialist.media/legendaerer-nachbau/ Thu, 28 Jan 2021 07:49:21 +0000 http://materialist.media/?p=3404 Jaguar Classic feiert 70 Jahre C-type mit streng limitierte Auflage von acht Continuation Fahrzeugen 

Zur Feier des 70-jährigen Jubiläums des ersten Jaguar Gesamtsieges mit dem C-type bei den 24 Stunden von Le Mans legt Jaguar Classic eine auf acht Einheiten limitierte Serie von C-type Continuation Cars auf. Mit den komplett in Handarbeit bei Jaguar Classic Works in Coventry gefertigten Neuschöpfungen erhalten Liebhaber des historischen Motorsports die einmalige Gelegenheit, eine originalgetreue Nachbildung des legendären Langstreckenrenners zu erwerben. Und zwar in Gestalt des Siegerwagens von 1953, der als ultimative Evolution des C-type bereits mit Scheibenbremsen und dem auf 220 PS gesteigerten Reihensechszylinder bestückt war. 

Der Jaguar C-type war zwischen 1951 und 1953 vor allem in Le Mans Favorit auf Gesamtsiege. Seine von Malcolm Sayer, dem Jaguar Aerodynamiker und Designer im Windkanal, geformten flüssigen Linien adeln ihn zu einer Ikone des Langstreckensports. Schon bei seinem Debüt, damals noch mit Trommelbremsen, gewann er 1951 mit Peter Walker und Peter Whitehead die legendären 24 Stunden von Le Mans. Es war der erste von bis heute sieben Jaguar Siegen beim französischen Klassiker. 

In der Saison 1952 beschritt Jaguar mit dem ersten Einsatz der revolutionär neuen und zusammen mit Dunlop entwickelten Scheibenbremse im C-type technologisches Neuland. Nach einem ersten Test bei der Mille Miglia mit der Paarung Stirling Moss/ Norman Dewis schrieb Jaguar beim Grand Prix von Reims – mit erneut Moss am Steuer – ein Kapitel Motorgeschichte: erster Sieg eines Rennwagens mit Scheibenbremsen. 

Mit einer weiterentwickelten und nun auch auf eine 24-Stunden-Distanz ausgelegten Bremsanlage gelang dann 1953 mit dem zweiten Le Mans-Sieg der endgültige Durchbruch der neuen Technik. Dank absolut standfester Verzögerung und der hervorragenden Aerodynamik des eleganten C-types legten die Jaguar Piloten Tony Rolt und Duncan Hamilton die 24 Stunden erstmals mit einem Schnitt von über 100 Meilen pro Stunde oder 160 km/h zurück. Zusammen mit guten Ergebnissen von Privatteams wie der Ecurie Ecosse errang Jaguar in diesem Jahr den Vize-Titel in der erstmals ausgeschriebenen Sportwagen-Weltmeisterschaft. 

Von den in den Fünfzigerjahren gebauten 53 Jaguar C-types wurden 43 an private Kunden verkauft – analog zu den 51er-Werkswagen mit Trommelbremsen, zwei SU-Vergasern und 200 PS Leistung. Die acht neuen C-type Continuation Modelle hingegen spiegeln die Technik des 53er-Siegerwagens wider – also mit Scheibenbremsen, drei Weber 40DCO3 Vergasern und einem 3,4 Liter großen Reihensechszylinder mit auf 220 PS angehobener Leistung. 

Dan Pink von Jaguar Classic sagt: „Der von einigen der besten Piloten ihrer Zeit pilotierte C-type legte den Grundstein für die großen Jaguar Erfolge im Langstreckensport und steht als Synonym für bahnbrechendes Design und technische Innovationskraft. 70 Jahre nach dem ersten Le Mans-Sieg ist Jaguar Classic stolz darauf, mit Hilfe modernster Fertigungstechnologien – flankiert von traditioneller Handwerkskunst und großer Expertise – diesen legendären Rennwagen einer neuen Generation von Enthusiasten zugänglich zu machen.“ 

Aufbauend auf den Erfahrungen mit den vorangegangenen Jaguar Classic Continuation Programmen für den E-type Lightweight, den XKSS und den D-type sind die Jaguar Classic Ingenieure auch diesmal tief in die werkseigenen Archive eingetaucht. Darüber hinaus scannten sie Daten von einem originalen C-type und ergänzten diese um weitere modernste CAD Programme – zur Kreation eines so authentisch wie nur möglich neu aufgebauten C-type. 

Der Zugang zu originalen Technikzeichnungen und weiteren Dokumenten des ursprünglichen C-type-Entwicklungsteams – neben Malcolm Sayer noch Rennleiter Lofty England, die Ingenieure William Heynes und Bob Knight sowie der legendäre Cheftestfahrer Norman Dewis – stellen sicher, dass die Spezifikationen des 53er-Modells des C-types akribisch eingehalten werden. 

Als Novum nutzt Jaguar die CAD Daten zusätzlich für die Möglichkeit, ein C-type Continuation Car erstmals über einen speziell entwickelten Online-Konfigurator virtuell zu visualisieren und zu personalisieren. Das neue Kundenwerkzeug (classicvisualiser.jaguar.com) eröffnet den Vergleich zwischen zwölf authentischen Exterieur-Farben und acht verschiedenen Interieur-Trimms. Aber auch die Anbringung von Startnummern oder Lenkrad- und Motorhauben-Emblemen lassen sich hierüber darstellen. 

Zu den zusätzlichen Extras für ein C-type Continuation Modell zählen ein FIA-zertifiziertes Rückhaltesystem und ein Überschlagschutz. Denn diese authentischen neuen C-types sollen 4 nicht im Museum oder in der Garage Staub ansetzen, sondern bei historischen Renn-Events oder auf abgesperrten Rundkursen und Straßen bewegt werden. http://www.jaguar.de/ueber-jaguar/jaguar-classic/c-type-continuation.html

Fotos//Jaguar

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Wilde Biester https://materialist.media/wilde-biester/ Sun, 05 May 2019 07:17:38 +0000 http://materialist.media/?p=2658 Ausverkauft, nur noch als Gebrauchtwagen zu haben. Sobald McLaren einen neuen Supersportler ankündigt, unterschreiben sich die Schecks der Kundschaft angeblich wie von selbst. Irgendwas scheinen die Briten richtig zu machen. Denken wir nur an den P1, 2013 auf dem Genfer Automobilsalon präsentiert. Kaum meldet der Hersteller die ersten Daten, schon ist der Briefkasten für die Orders verstopft. Man spricht von Blankoschecks, von Anrufen und Mails aus allen Ecken der Erde. Eine Million Euro, 375 Autos. Wir rechnen zusammen und stellen fest, dass es läuft in Woking. 916 PS aus zwei Motoren, 350 Stundenkilometer abgeregelt. Ein Hybrid-Supersportler wie aus dem Bilderbuch.

Mit geöffnetem Verdeck rennt der LET immer noch mit 315 km/h über den Asphalt.

Ein paar Jahre später. Der Name: Speedtail. Diesmal soll der Wagen 403 Stundenkilometer schaffen. 106 werden gebaut. Wieder ausverkauft, bevor ein Kunde den Wagen auch nur streicheln konnte. Drei Sitze, einer vorn plus zwei hinten. Also genau wie im F1. Das Layout verspricht puren Futurismus, Luftführung wie im Scifi-Film. Innen: eine einzige Hommage an die Zukunft. Wer hier Platz nimmt, erwartet, dass der Brite nicht nur schnell ist, er erwartet, dass das Publikum applaudiert.

Rennwagen transportieren uns in den Himmel oder in die Hölle. Genau das weiß man bei McLaren.

Die Zeiten der harten Jungs in noch härteren Sportwagen scheint vorbei, die Zeit der digitalen Härte ist angebrochen. Ein V8 mit Biturbo, das Herz eines jeden McLaren, schlägt immer noch unerbittlich und unermüdlich hinter den Köpfen der Insassen. Das Kraftwerk katapultiert den Wagen von Kurve zu Kurve, um dann, mit reichlich cleverer Computertechnik, einem Skalpell gleich die Biegung in Quadratmillimeter einzuteilen. Die Rennstrecke wird zum Seziertisch, der Fahrer zum Operateur. Und das Runde für Runde, Kilometer für Kilometer. Kein anderer Hersteller ist auf diesem Gebiet derart routiniert und gleichzeitig so kreativ.

 

Seitenhalt und eine versenkbare Glasscheibe für den perfekten Sound im Ohr.

Rennwagen lassen sich in aller Regel auf die Rennstrecke transportieren. Kommod in der rollenden Garage zur Boxengasse gebracht und dann auf die Strecke gerollt. Vorab der Check, ob alles passt. Ein Supersportler, dem man die Schuhe anzieht, der von vorn bis hinten gehätschelt werden muss. Sensibel sind sie, Göttinnen zuweilen. Und irgendwie auch faszinierend, weil immer den Himmel in Griffnähe, mit den Kerbs auf Tuchfühlung und auf die Zielflagge als höchstes Gut zustürzend.

Lifestyle im Rennanzug. Beim 720S Spider lässt sich das gläserne Dach per Knopfdruck verdunkeln.

Verdunkeltes Dach beim 720S Spider.

Außer Atem, mit glühenden Bremsscheiben und klatschnass geschwitzten Piloten an Bord. Jedes Zehntel eine Ewigkeit, jeder Millimeter eine Weltreise und jeder Fehler ein Totalschaden. Tränen der Ergriffenheit beim Sieg, Tränen der Wut, wenn nur einer diesen schicksalshaften Moment schneller war.

 

Geschmiedete Felgen machen das Bild perfekt.

Rennwagen schicken uns in den Himmel oder in die Hölle. Genau das weiß man bei McLaren und genau das baut man im Werk in Woking in die Supersportler mit Straßenzulassung ein. Drama und Tragödie, Triumph und Niederlage oder ganz einfach: Emotionalität jenseits der Normalität zwischen Ampelstopp und Bürogarage.

 

Der 720S Spider bei der Testfahrt in Arizona.

Irgendwo bei Phoenix in Arizona. Vor uns der 720S und der 600LT Spider, letzterer ein Rennstreckenspezialist mit Straßenzulassung. Zwei Supersportler aus dem hypermodernen Kreissaal in Woking, strotzend vor Kraft. Beide locken mit dem Aussehen modernster Gladiatoren und verwöhnen mit dem Komfort, der den Alltag mehr als erträglich machen kann. Die Landstraße ist ihr Zuhause, die Rennstrecke ihr Spielplatz. Anders als der Speedtail allerdings zwei Autos, die man tatsächlich beim Händler ordern und später auch mit nach Hause nehmen kann.

Das Getriebe sortiert die Gänge nicht mehr, es katapultiert sie nahezu unbemerkt in die richtige Reihenfolge 

Der 720S Spider ist das Fragezeichen mit den 720 PS, den 341 Stundenkilometern und den mit einem Lächeln abgespulten 100 Stundenkilometern in 2,9 Sekunden. Das Verdeck ist in elf Sekunden fast lautlos in seinem Versteck hinter den Sitzen verschwunden und die Fahrt durch Arizonas Landschaft wird zum Roadtrip mit zutiefst überzeugt angezogenen Bremsen, weil bei Höchststrafe limitiert und per Helikopter überwacht. Ein wildes Biest im Maßanzug und mit der Aura eines Briten der Neuzeit, der erst lässig, fast arrogant den Bordstein entlang schlendert, die Schaufenster inspiziert und dann wie aus dem Nichts um die Ecken fliegt, als hätte er gerade ein paar Kronjuwelen eingesteckt. Er gab kurz Gas, dann war er weg. Kronjuwelen haben wir nicht mitgenommen, aber um die Ecken flogen auch wir.

Aufgeräumt, puristisch: Das Cockpit des 720S Spider stellt Handling und Fahrspass in den Mittelpunkt.

Dann der 600LT. Der vierte McLaren in zwei Jahrzehnten, der die Bezeichnung LT – Longtail – trägt. Wie seine Vorgänger hat er nur ein Ziel: Performance und Fahrerlebnis bis ans absolute Limit. Dieses Fahrzeug ist nichts für schwache Nerven, es setzt neue Maßstäbe, ist mithin die schnellste, leistungsstärkste und extremste Sports Series aller Zeiten.

 

Schalter für das einteilige Dach des 720S Spider. Es öffnet und schliesst sich in elf nahezu lautlosen Sekunden.

Rund 150 Meilen liegen hinter uns. Zum Aussteigen den Sitz ganz weit nach hinten fahren, einen Fuß auf den Asphalt stellen, vorher die Scherentür nach oben laufen lassen. Ein kurzer Schwung und man steht neben dem Wagen. So einfach, so bequem und immer einen Tick lässiger als es die Zuschauer erwarten. Alltagstauglichkeit nennt man das. Und genau das ist für viele Kunden ein Thema. Niemand will wie ein betrunkener Mops aus dem Wagen kullern. Vorn, unter der Haube, liegen die Reisetaschen, hinten sitzt der V8 in lauernder Erwartung, denn die Tour auf der Landstraße war eine Fingerübung. Rennstreckenmomente sind nicht nur das Salz in der Suppe, sie sind das komplette Gewürzboard.

 

Die Spreizung ist da Thema der Stunde. Genau hier, auf der Start-Ziel-Linie, nach zwei Stunden Stadt-Land-Highway-Fahrt, dem unumstrittenen Diktat des Tempolimits und dem Schlendern durch winzige Orte, über uns die Insassen von gigantischen Pick-ups und deren Blicke nach unten. Ob wir genug sehen? Na klar. Wir schauen einfach unter dem Pick-up durch. 600 oder 720 PS im Gewühl von Phoenix. Der Wagen spaziert wie der beste Freund des Menschen an der Leine. Präzise, nicht zu laut, sauber und bestens trainiert. Und dann: auf den Track. Der Seitenhalt der Sitze rückt plötzlich in den Vordergrund. Die Räder der Turbolader kommen so richtig in Wallung, das Getriebe sortiert die Gänge nicht mehr, es katapultiert sie nahezu unbemerkt in die richtige Reihenfolge. Die Lenkung so präzise wie der beste Laser und die Reifen haben den Asphalt geheiratet.

 In Woking entstehen emotionale Präzisionswerkzeuge mit dem Habitus des Extraordinären.

Road und Track, genau hier liegt der Pfeffer auf dem Steak. McLaren baut keine Sportwagen. In Woking entstehen emotionale Präzisionswerkzeuge mit dem Habitus des Extraordinären, ohne den berüchtigten Bling-Bling-Faktor. Beim Speedtail oder P1 hängt das Preisschild nicht am Kühlergrill. Es baumelt in der Ablage der Mittelkonsole und wer einmal einen 720S Spider oder den schärferen 600LT Spider bewegt hat, wird einen Speedtail oder den P1 als exponentielle Steigerung sehen. Dass manch einer eine deutliche Wertsteigerung in den nächsten Jahren erwartet, ist logisch, aber nicht zwingend. Dafür dürfen in ein paar Jahren 106 Menschen Führungen durch ihre Garagen anbieten. Vor allem der Speedtail hat das Potenzial zur Blaupause für zukünftige Modelle aus Woking.

TEXT// RALF BERNERT

Angaben des Herstellers

McLaren 720S Spider

MotorV8-Biturbo

Hubraum3.994 ccm

Leistung527 kW/720 PS bei 7.250 U/min

Drehmoment770 Nm bei 5.500 U/min

AntriebHinterräder

Getriebe7-Gang-DKG

(ROTES KANN BEI BEIDEN RAUSGELASSEN WERDEN, WENN DER PLATZ NICHT REICHT)

Länge4.544 mm

Breite2.161 mm mit Spiegel

Höhe1.194 mm

Leergewicht1.332 kg

Fahrleistung0–100 km/h in 2,9 s

Fahrleistung0–200 km/h in 7,9 s

Höchstgeschwindigkeit341 km/h

Verzögerungvon 100 auf 0 km/h30 m

Verbrauch nach WLTP kombiniert12,9 l/100 km

CO2293 g/km

Preis in Deutschlandab 273.000 Euro inkl. Steuer

 

McLaren 600LT Spider

MotorV8-Biturbo

Hubraum3.799 ccm

Leistung441 kW/600 PS bei 7.500 U/min

Drehmoment620 Nm bei 5.500 bis 6.500 U/min

AntriebHinterräder

Getriebe7-Gang-DKG

Länge4.604 mm

Breite2.095 mm mit Spiegel

Höhe1.196 mm

Leergewicht1.297 kg

Fahrleistung0–100 km/h in 2,9 s

Fahrleistung0–200 km/h in 8,4 s

Höchstgeschwindigkeit324 km/h

Verzögerungvon 100 auf 0 km/h32 m

Verbrauch nach WLTP kombiniert16,3 l/100 km

CO2266 g/km

Preis in Deutschlandab 250.000 Euro inkl. Steuer

 

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