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Schweres Erbe
By Editorial Department access_time 9 min read

Vererben heißt, sich mit der Vergänglichkeit des Lebens und all seinen Hinterlassenschaften auseinanderzusetzen. Geldmittel, Immobilien, Anlagen oder Beteiligungen sind in aller Regel sortierbar und lassen sich mit mehr oder minder geringem Aufwand an Nachkommen weitergeben. Wie verhält es sich jedoch mit spezielleren Hinterlassenschaften? Ob es sich um Kunst handelt, die geliebte Briefmarkensammlung, ein Faible für orientalische Teppiche, Musikinstrumente oder goldene Preziosen – all diese Dinge verbindet ein gemeinsamer Nenner.

Sammlungen wie diese Vogelbilder besitzen häufig nur für den Erblasser einen Wert (Foto: Rawpixel).

Es handelt sich um Vermögenswerte, die es im Erbfall, oder optimalerweise noch davor, zu katalogisieren und zu taxieren gilt. Von außen betrachtet klingt das eher trivial. Die Haushaltauflösung mit dem chinesischen Porzellan der Lieblingstante oder die Versteigerung von Opas Antiquitätensammlung sind nahezu alltägliche Vorgänge. Komplizierter wird es, wenn die Anzahl der Wertgegenstände ins Unüberschaubare steigt. Entweder ist eine einzelne Sammlung an sich sehr groß oder es gibt gleich ein ganzes Sammelsurium an Objekten, die einem Erblasser sehr wichtig waren oder noch sind. Die Chance, dass ein solcher Fall eintritt, steigt exponentiell mit einem entsprechend umfangreichen Vermögen.

Noch nie standen derart viele und extrem große Privatvermögen zum Vererben und Erben an.

Die Problematik, umfangreiche Sammlungen oder unsortierte Anhäufungen materieller Werte sortieren zu müssen, wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Noch nie standen derart viele und extrem große Privatvermögen zum Vererben und Erben an wie während der nächsten Dekaden. Mit genau solchen Fällen beschäftigt sich Marcus Adrian. „Family Office Advisory, Private Assets und Affairs“ steht auf der Karte des Schweizers, wozu unter anderem auch das Handling von alternativen Vermögenswerten zählt. In dieser Funktion berät er sowohl vermögende Einzelpersonen als auch Family Offices und bringt professionelle Ordnung in manches Sachwertechaos. Dafür bedarf es nicht nur eines großen Netzwerks verschiedener Experten, sondern auch des gewissen „je ne sais quoi“. Adrian begegnet seinem Gegenüber auf einnehmende Art und Weise. Die Erscheinung zurückhaltend professionell: Dunkler Anzug, markante Brille. Das Lächeln ist offen und fröhlich, ohne dabei anbiedernd zu sein. Neben Mehrsprachigkeit und absoluter Diskretion über seine Kunden ist es die Gesamterscheinung, die vermutlich den Erfolg des Beraters befördert. „Klienten respektvoll und auf Augenhöhe zu begegnen, macht viel aus“, sagt Marcus Adrian. „Es ist unmöglich, einen professionellen Überblick über Werte und Latifundien zu bekommen, wenn der Kunde nicht den Eindruck bekommt, dass er mir zu hundert Prozent vertrauen kann.“

Antiquitäten können manchmal eine Last sein. Sie finden über Auktionshäuser neue Besitzer (Foto: Ina Castaneda_unsplash).

Der Mensch, der den Schritt zur Sortierung all seiner Werte einleitet, ist unweigerlich dazu gezwungen, sich anderen zu öffnen. Allerdings ist es den wenigsten vergönnt, dafür extra einen Spezialisten zu konsultieren. Vieles hat vor allem einen ideellen Wert und ist nicht in jedem Fall eine Kostbarkeit, die es unbedingt aufzubewahren gilt oder sich mit vernünftigem Aufwand zu Geld machen lässt. Bei der vermögenden Kundschaft, die sich von Marcus Adrian betreuen lässt, finden sich allerdings durchaus auch einmal vergessene künstlerische Meisterwerke im Keller. „Ich katalogisiere in erster Linie nur, was wirklich von Wert ist“, beschreibt Adrian. „Dabei rede ich nicht von einer Excel-Tabelle, sondern von einem sorgfältig ausgearbeiteten Portfolio, das finanzielle Gegenwerte, Datum der Anschaffung, Versicherungen und Besitzverhältnisse klärt.

Man kann den immensen Preisverfall in Kauf nehmen oder orientiert sich in die Richtung von Schenkungen und Leihgaben.

Ein solcher Katalog hat immer Sinn, ganz unabhängig davon, ob es sich um zwei Autos oder eine ganze Oldtimersammlung handelt. Die Aktualisierung und Objektivierung vorhandener Sachwerte stellen oft eine Herausforderung dar. Manch wertvolle Uhr wurde vielleicht gar nicht gekauft, sondern wechselte den Besitzer als Gegenleistung für die Vermittlung eines guten Geschäfts. Manchmal wurden persönliche Büroräume im veräußerten Unternehmen geräumt und ohne viel Federlesens wanderten kostbare Designermöbel in den eigenen Hausrat, genauso wie vielleicht die Elfenbeinskulptur, die an einen lukrativen Geschäftsabschluss in Afrika erinnert.

Erbstücke wie ein Mercedes-Oldtimer lassen sich relativ einfach taxieren (Foto: Clem Onojeghuo_unsplash).

„Viele Menschen beschäftigen sich nicht wirklich mit der Wertsteigerung von Objekten, die für sie in erster Linie ideelle Bedeutung haben“, hat Marcus Adrian festgestellt. „Dadurch begegne ich Kunstsammlungen, die völlig unterbewertet sind oder noch schlimmer: unterversichert. Manche Objekte gehören auch noch zu einem Firmenbesitz, und ohne vernünftiges Regeln der Situation befindet man sich schnell in einer juristischen beziehungsweise fiskalischen Grauzone.“ Praktische Bedenken, die im Angesicht der eigenen Vergänglichkeit oft verdrängt werden. Wer beschäftigt sich schon gern damit, was die Erben nach dem eigenen Tod mit den geliebten Dingen anstellen? Umso mehr will ein bevorstehender Übergang gut organisiert sein. Dabei geht es nicht nur darum, dass die potenzielle Erbengemeinschaft miteinander in Streit geraten könnte. Vielmehr möchte man seine gesammelten Assets gut aufgehoben wissen. Viele werden von Rührseligkeit übermannt, wenn sie wissen, dass die alte Vitrine im Zuhause der Enkel geliebt wird. Falls dem aber nicht so sein sollte – und das ist meistens der Fall –, empfehlen sich andere Lösungen. Bei Kunst beispielsweise, entsprechende Bedeutung einer Sammlung vorausgesetzt, kann das Gründen einer Stiftung der probate Weg sein. Eine Möglichkeit, die Marcus Adrian immer wieder mit seinen Klienten umsetzt. „Bei der Überführung von Werten in die kommende Generation habe ich mehrfach erlebt, dass Kinder die Leidenschaften ihrer Eltern zwar nicht teilen, den ideellen Wert der potenziellen Hinterlassenschaften aber respektieren“, so Adrian. „In solchen Fällen kann es sich anbieten, die Öffentlichkeit an diesen Leidenschaften teilhaben zu lassen. Das können Leihgaben an Museen sein oder sogar der noch ehrgeizigere Weg, sein eigenes Museum zu stiften. Neben der Bewahrung eines Andenkens vielleicht auch eine spannende Möglichkeit, den Nachfolgern eines umfangreichen Vermögens neue Lebensperspektiven zu eröffnen.“

Nicht selten finden sich auf dem Dachboden längst vergessene Erbstücke (Foto: Kevin Noble_unsplash)

Leidenschaften eines Vorfahren nicht zu teilen, findet man nicht nur bei Vermögen im oberen dreistelligen Millionenbereich. Ganz brisant kann die Situation dann werden, wenn es sich um gleichsam „verlorene“ Werte handelt. Dazu können etwa Briefmarkensammlungen gehören oder aus der Mode geratene Dinge, wie der gute, alte Orientteppich. Hier ist im Kleinen wie im Großen vieles möglich. Man kann sich für das Veräußern von Werten entscheiden und den immensen Preisverfall in Kauf nehmen oder orientiert sich je nach Qualität auch in die Richtung von Schenkungen und Leihgaben. „Die Tochter des chinesischen Multimillionärs Peter Fung stand vor genau dieser Entscheidung. Sie war mit der Antiquitätensammlung des Vaters aufgewachsen. Diese war jedoch nicht in Regalen drapiert gewesen, sondern stellte den gesamten Hausrat der Familie dar“, sagt Marcus Adrian. „Um das Mobiliar zu erhalten, wurde ein Familienmuseum gegründet. Das Besondere daran ist, dass alle Objekte benutzt werden können. Das nimmt den Geist des Vaters wieder auf und erhält die Funktion der Dinge. Eine schöne Idee!“

 

Experte für das Handling von Sachwerten: Der Schweizer Marcus Adrian.

Es ist der Gedanke, der die Auseinandersetzung mit dem Thema geradezu romantisiert. Dem gegenüber stehen jedoch die harten, kalten Fakten. Neben der Weitergabe von schönen Dingen markiert der Erbfall vor allem eine Krisensituation im Leben der Hinterbliebenen. Plötzlich wird es unter Geschwistern wieder interessant, wer sich von den Eltern schlechter behandelt fühlte. Aus Zwistigkeiten entstehen Fehden und diese werden dann ohne Rücksicht auf Verluste ausgefochten. Patchwork-Strukturen tun dann ihr Übriges, weil plötzlich auch die erste Ex-Frau noch ein Stück des Kuchens möchte. Das kann für alle Menschen gelten, völlig unerheblich, ob sie sich die Services eines Experten wie Marcus Adrian leisten können. Wir sollten vorausplanen, wenn uns daran gelegen ist, Dinge zu erhalten. Dabei sei erst einmal dahingestellt, wie wertvoll diese wirklich sein mögen. Ganz abgesehen davon, dass es nicht das Klügste ist, anverwandten und geliebten Menschen ein heilloses Durcheinander zu hinterlassen. Doch ab wann lohnt es sich, einen Experten zu engagieren, wann ist man wohlhabend genug? Marcus Adrian hält es mit einem Satz des Vermögensverwalters Christian Freiherr von Mauchenheim gen. Bechtolsheim fest. Dem zufolge sei man erst ab einem dreistelligen Millionenbetrag wirklich reich. „In einem solchen Fall“, so befindet Adrian, „macht es auch Sinn, alle Vermögenswerte zu analysieren.“

 Plötzlich will auch die erste Ex-Frau noch ein Stück des Kuchens.

Ein hohes Vermögen ist also die Qualifikation dafür, den Service eines entsprechenden Experten in Anspruch zu nehmen. Nicht umsonst sieht sich Marcus Adrian auch als Chief of Staff seiner vermögenden Kunden. Taxieren kann er die Dinge nämlich nicht allein. Nötig ist vielmehr ein gut koordiniertes Beiziehen verschiedenster Spezialisten, um das bereits erwähnte Portfolio zu erstellen. Danach gilt es, die lästigen Dinge zu klären. Das geht von Steuerfragen bis hin zur Verschiffung von Gegenständen an einen anderen Ort. Auch das will nämlich korrekt ausgeführt sein. Vergessene Meisterwerke einfach in den Laderaum der Gulfstream zu werfen, reicht hier nicht aus und führt nur zu weiterem Ungemach.

„Bei einem Schweizer Klienten hatte ich zum Beispiel die Möglichkeit, mehrere Gemälde in einer riesigen Retrospektive des Künstlers zu platzieren“, erwähnt Berater Adrian. „Doch keiner wusste, dass mein Mandant diese Gemälde besaß, und man hatte sie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Das Wiederauftauchen dieser Bilder in einer renommierten Ausstellung konnte die Nachfrage und den Wert natürlich enorm steigern.“

TEXT//SÖREN MAERZ

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