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Der Visionär
By Editorial Department access_time 4 min read

Worin liegt der Reiz, einen Ferrari zu entwerfen?

Wir gestalten hier Träume, nicht nur Autos. Die Marke ist ein Mythos. Deshalb muss sich jeder, der etwas Neues schaffen möchte, zunächst auch mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Heißt: Neue Standards setzen, für eine neue Überraschung sorgen, die Erwartungen übertreffen.

 

Wie muss man sich den Gestaltungsprozess vorstellen?

Parallel mit der konzeptionellen Entwicklung startet auch die Arbeit am Design eines neuen Fahrzeuges. Wir klären: Was für ein Auto wollen wir bauen, sprechen über Proportionen, Schönheit, Architektur. Wenn wir das Projekt beginnen, suchen wir nach einer künstlerischen Lösung für ein Ingenieurproblem.

Konkret?

Alles fängt an mit einer Skizze. Daraus werden mehrere Skizzen und schließlich ein 3D-Modell im virtuellen Raum. Letzteres ist ein sehr schneller Prozess, den wir in drei Tagen bewerkstelligen. Quasi über Nacht entsteht beispielsweise eine neue Front. Im weiteren Verlauf gibt es verschiedene Meilensteine und Vorstandspräsentationen. 3-4 Monate braucht es dann, bis die Form aerodynamisch optimiert ist.

Besteht überhaupt viel Spielraum – bleibt ein Ferrari nicht immer ein Ferrari?

Die Marke hat eine klare DNA. Trotzdem müssen sich bei Ferrari alle Fahrzeuge deutlich voneinander unterscheiden. Wir folgen nicht dem Prinzip der Matrjoschkas, diesen ineinander schachtelbaren russischen Holzpuppen, wo sich zwar die Bemalung ändert, aber niemals die Figur selbst.

Manche glauben, dass die Konsistenz einer Marke aus der Wiederholung bereits genutzter Elemente kommt…

Ich denke nicht so. Für mich ist es der falsche Ansatz. Es ist nicht kreativ. Wenn wir an einem neuen Ferrari arbeiten, sage ich immer zu meinem Team: Macht euch darüber Gedanken, wie dieses Auto in den nächsten fünfzig Jahren wahrgenommen wird. Die Form muss ehrlich und einzigartig sein, sozusagen die Essenz des ganzen Projektes.

Hört sich schwierig an….

Die größte Herausforderung ist es, genau diese eine Form zu finden, die perfekt passt und zwar zu 100 Prozent. Wenn man versucht, etwas stilvoll zu machen, und dabei mit einer vorgefassten Idee ans Werk geht, landet man üblicherweise im rein Ornamentalen. Das Ergebnis kann niemals zeitlos sein. Wenn es stattdessen eine klare Übereinstimmung zwischen der Form und der eigentlichen Substanz gibt, dann haben wir unser Ziel erreicht. Dann entsteht ein wirklich anderes und zeitloses Auto.

Warum?

Die Form muss ehrlich und einzigartig sein, sozusagen die Essenz des ganzen Projektes. Wir sind am Ziel, wenn das Design selbsterklärend ist, eine klare Übereinstimmung besteht zwischen Form und Substanz. Unser Anspruch ist, neue Standards zu setzen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, welche Bedeutung die Intuition und die künstlerische Seite hat: Das Auto als dynamische Skulptur muss außergewöhnlich sein, nicht nur in Bezug auf Leistung, sondern auch außergewöhnlich in Bezug auf Schönheit.

Auch Aerodynamik und Sicherheitsüberlegungen spielen eine Rolle: Begrenzt das den Designprozess?

Die technischen Zwänge sind immer eine riesige Herausforderung. Aber es ist entscheidend, wie man diesen begegnet. Wir kommen hier nur voran, wenn wir das als großartige Gelegenheit begreifen, etwas völlig Neues zu schaffen, die Dinge anders zu machen als vorher.

Wann ist ein Auto schön?

Wenn die künstlerische Qualität des Entwurfs stimmt und die Emotionalität, dann ergibt sich die Schönheit des Autos als logische Konsequenz daraus.

Ferrari-Kunden in Amerika oder Asien pflegen einen anderen Geschmack als die Europäer. Wie gehen Sie darauf ein?

Die Geschmäcker der Länder sind uns mehr oder weniger egal. Ein Ferrari ist immer ein Ferrari. Wir folgen nicht, wir geben vor. Es zählt der Wow-Effekt.

ZUR PERSON

Flavio Manzoni (52) studierte Architektur und spezialisierte sich später auf Industriedesign. Er begann seine Karriere 1993 in der FIAT-Gruppe im Design Center von Lancia. Nach einer Station als Leiter des Innenraumdesigns bei Seat avancierte er 8 Jahre später zum Chefdesigner des FIAT Group Design Centers. 2006 holte ihn die VW-Gruppe zurück, wo Manzoni die Leitung des Kreativdesigns bei Volkswagen übernahm, den Golf 6 designte und die neuen Versionen von Skoda, Bentley und Bugatti entwarf. Im Januar 2010 wurde Manzoni zum Senior Vizepräsident und Direktor des Design Centers bei Ferrari ernannt. Das Konzept des Ferrari FF und des Hybrids LaFerrari  stammen ebenso aus seiner Feder wie die F12 Berlinetta und der GTC4 Lusso.

Text: Thomas Garms, Fotos: Georgia Garms

Ferrari Ferrari GTC4Lusso